Zwei astronomische Entdeckungen der Extraklasse

Hubble-Weltraumteleskop und Very Large Telescope warten mit stellarer und exoplanetarer Überraschung auf.

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Das Very Large Telescope (VLT) der ESO auf dem Paranal Observatorium (Atacama, Chile) ist das weltweit größte und modernste optische Teleskopsystem. Doch selbst die vier ortsfesten 8.2-Meter-Spiegelteleskope mit ihren beweglichen 1.8-Meter-Hilfsfernrohren, deren Strahlengänge in dem VLT Interferometer (VLTI) vereinigt werden können, vermögen Einzelsterne nur als Lichtpunkt wahrzunehmen. Jetzt aber kam den ESO-Astronomen der Zufall zu Hilfe. Dank Einstein konnten sie erstmalig detailliert die Oberfläche eines Sterns analysieren. Aber auch das Hubble-Teleskop, das gerade seinen 11. Geburtstag feierte, wurde kürzlich selbst Zeuge eines möglichen "Geburtstags". Inmitten des Orion-Nebels entdeckte es eine stellare Geburtsplazenta, aus der einmal Planeten erwachsen können.

Hubble-Aufnahme der planetaren Geburtsplazenta

Als der große italienische Mathematiker und Philosoph Galileo Galilei Anfang des 17. Jahrhunderts mit dem konstruktionseigenen Teleskop den Himmel observierte, musste er seine Augen noch an ein Okular preßen, um planetare und "lunare" Feinheiten erkennen zu können. Heute dagegen starren Astronomen in der Regel ausschließlich auf PC-Monitore, wo die Photonenflut Bit für Bit zu einem Bild komponiert wird. Doch obgleich hochfiligrane Spektographen das ankommende Licht der Sterne zerlegen und spezielle Software die Lichteigenschaften en detail berechnet, waren die eingehenden Lichtinformationen indes bisher recht dürftig. Selbst das hohe Auflösungsvermögen der leistungsstärksten optischen Teleskope reichte nicht aus, um die großen Entfernungen zu den Sternen optisch zu überbrücken und extrasolare Strukturen zum Vorschein zu bringen - es sei denn, man hat außerordentliches Glück, so wie vor kurzem ein Wissenschaftlerteam der Europäischen Südsternwarte (ESO).

Diesem gelang das bisher einmalige Kunststück, mit Hilfe des Very Large Telescope (VLT) die Spektren aus verschiedenen Regionen eines 25.000 Lichtjahre entfernten einzelnen Sterns aufzunehmen. Mit dem FORS1-multi-mode Instrument am VLT-Teleskop Antu zeichneten die Forscher der PLANET-Gruppe eine Serie von Spektren auf, die ihnen erstmals einen direkten Blick auf die Oberfläche eines Sterns ermöglichte und Informationen über seine Struktur, Temperatur, seinen Druck und seine chemische Zusammensetzung verschaffte. "Was ganz wichtig ist: Der Stern, der sich uns offenbart hat, ist wie unsere Sonne ein ganz normaler. Daher können wir davon ausgehen, dass es sich bei dem Gros der anderen Sterne ähnlich verhält", so das Resümee von Dr. Richard West vom ESO Department in Garching bei München.

VLT-Array auf dem Paranal Mountain

Microlensing-Effekt half

Dabei kam den Astronomen ein unsichtbarer und geheimnisvoller Helfer in Gestalt eines Sterns zu Hilfe, der durch die Sichtlinie zu dem beobachteten Stern gelaufen war und durch seine Gravitationswirkung das Licht des entfernten Sterns verstärkt hat. Dieser schon von Albert Einstein vorhergesagte, aber selten auftretende so genannte Microlensing-Effekt beruht auf der Mikrogravitationslinsenwirkung: Bewegt sich ein Stern, der sich in der Sichtlinie der Erde und einem weit entfernten Hintergrundstern befindet, an diesem vorbei, so wird das Licht des Hintergrundsterns in charakteristischer Weise durch den Gravitationslinseneffekt verstärkt. Dass nach solchen Ereignissen derweil weltweit verschiedene Arbeitsgruppen intensiv suchen, hängt weniger mit dem heller werdenden Stern als vielmehr mit dem unsichtbaren Objekt zusammen, das die Aufhellung verursacht. Denn mit Hilfe der Technik des Microlensing wird vor allem zur Suche nach Massive Astrophysical Compact Halo Objects (MACHOS) verwendet. Sie könnten für die fehlende Materie im Halo unserer Galaxie verantwortlich sein und die Herkunft und Zusammensetzung der legendären Dunklen Materie erklären, die sich nur durch ihre Gravitationswirkung offenbart. Gleiches gilt für Braune Zwerge oder gar Planeten. Alle diese astrophysikalischen Objekte gelten als MACHO-Kandidaten. Um diese dingfest zu machen, kooperieren Astronomen-Gruppen rund um den Globus.

Nur wenn ein MACHO die Sichtlinie durchläuft, gewinnt das Microlensing-Ereignis an "Konturen" und liefert wertvolle Informationen über den anvisierten entfernten Stern - wie dies jetzt geschehen ist. "Dabei hat wahrscheinlich ein Doppelsternsystem in unserer Milchstraße den Mikrogravitationslinsen-Effekt verursacht. Aber welches es war, werden wir wohl nie erfahren", so Dr. West. Mitunter kann es sogar zu mehrfachen Aufhellungen kommen. So geschehen beim Microlensing-Ereignis EROS-BLG-2000-5 im Mai letzten Jahres, als das EROS-Team ein scheinbar normales Microlensing-Ereignis beobachtete. Nach rund einen Monat hellte sich jedoch der beobachtete Stern erneut auf, worauf die Astronomen eine dritte und letzte Aufhellung erwarteten. Während der ganzen Zeit nahmen die Forscher Spektren des mittlerweile als kühlen Riesenstern identifizierten Lichtpunktes auf. Besonders interessant war dies während der dritten Aufhellung, als durch das Microlensing verschiedene Bereiche des Sterns vergrößert wurden - zunächst der kühlere Rand, dann das Zentrum und schließlich wieder der Rand. Was die Astronomen besonders freut, ist die Tatsache, dass die beobachteten Spektren des fernen Riesen gut mit den bestehenden Theorien über den Aufbau dieser Sterne zusammenpassen, und dies obwohl die Beobachtungen in 25.000 Lichtjahren Entfernung gemacht wurden.

VLT-Aufnahme des Orts des Mikrolensing-Ereignisses

Die Daten des aktuellen Zielobjekts, das den zehnfachen Durchmesser der Sonne aufweist, werden derzeit noch ausgewertet.

Planetare Wiege im Orion-Nebel

So groß die weltweit verstreute Teleskop-Armada auch immer sein mag - einer ihrer wertvollsten Späher operiert nicht am Boden, sondern im Orbit: das Hubble-Weltraumteleskop (HST, welches immerfort für Schlagzeilen sorgt.

Diesmal beobachtete Hubble inmitten des 1500 Lichtjahre entfernten Orion-Nebels den seltenen Vorgang einer Planetengeburt. Zum ersten Mal konnten Astronomen direkt sehen, wie sich winzige Partikel in den Staubscheiben von Dutzend Jungsternen zu schneeballähnlichen Gebilden zusammenballten, dabei langsam an Konturen gewannen, um aber später wieder - wie andere Beobachtungen zeigten - von größeren Sternen (wie dem hellsten Vertreter dieser Region Theta 1 Originis C) durch die hohe stellare UV-Strahlung zerstört zu werden.

Daher glauben die Astronomen, dass bei der Entstehung neuer Planeten die Faktoren Zufall und Glück eine noch viel größere Rolle spielen als bislang angenommen. Die planetare Lebensformel ist ebenso einfach wie gnadenlos: Gewinnen die Staubklumpen die Oberhand, kristallisieren sich Planeten heraus. Ist die stellare Strahlung jedoch zu hoch, lösen diese sich kurzerhand wieder in ihre einzelnen Bestandteile auf.

Bei einer Sterngeburt zieht sich das umliegende Gas zu einem gewaltigen Ball zusammen, wobei erst Hitze und Druck das nukleare Feuer entfachen. Um den neuen jungen Stern dreht sich allerdings noch eine rotierende Staubscheibe, quasi die Geburtsplazenta. Die Forscher gehen davon aus, dass sich die Staubteilchen darin innerhalb von nur 100.000 Jahren zu metergroßen Klumpen zusammenballen können. "Von diesen Sternen schießt die UV-Strahlung wie aus einem Lötbrenner aus, und reißt so die Gas und Staubwolke auseinander", berichtet Henry Throop vom Southwest Research Institute der University of Colorado in Boulder in der jüngsten Ausgabe des Fachjournals Science (27.04.2001).

Nach Throops Ansicht sind massive Sterne für kleinere Sonnen, um die sich Planeten bilden, stets eine potentielle Gefahr, da sie deren Staubscheiben durch ihre hochintensive UV-Strahlung regelrecht zerstören. In weiter äußeren und daher ruhigeren Regionen gebe es dagegen aber deutliche Anzeichen für ein starkes Zusammenballen der Staubkörnchen, so Throop. Zuvor müssen aber die Staubbälle eine Größe von einen Zentimeter bis einen Meter erreichen. Erst dann überleben sie die Zerstörung und wachsen weiter zu Kleinplaneten oder Asteroiden. "Es ist also ein verdammt harter Ort um eine Familie von Planeten großzuziehen", gesteht Throop.

Bei den Aufnahmen im sichtbaren und im Nah-Infrarot Bereich des Lichtspektrums erschien übrigens der Staub zur Überraschung der Astronomen grau. "Winzige Partikel im Weltraum lassen das dahinter liegende Licht normalerweise rötlich erscheinen. Doch das ist hier nicht der Fall, denn die Staubkörner sind im Vergleich zu bisher beobachteten Teilchen bis zu 1000 mal größer", so Throop.

Ob sich aus den gerade beobachteten Strukturen im Orion-Nebel dereinst ein Sonnensystem herausbildet, ist Throops Einschätzung nach durchaus möglich. Dennoch wäre ein solches System mit dem unsrigen kaum zu vergleichen. "Ich glaube wir können mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass diese Planetensysteme einzigartig wären."