Zwischen Fundraising und Wirtschaftsförderung

Die Kuba-Solidaritätsbewegung auf neuen Wegen

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Kubanische Fahnen mitten in Berlin waren nicht etwa erste Vorboten der von der Hauptstadt-Boulevardpresse befürchteten Linkswende in der Hauptstadt. Am 23. und 24. Juni tagte vielmehr in der Berliner Kongresshalle die Konferenz "Kubanisch-europäische Perspektiven". Organisiert wurde er von Gruppen aus der Kuba-Solidaritätsbewegung.

Die Fans von Che Guevara und Fidel Castro sind in die Jahre gekommen. Junge Leute waren unter den ca. 500 Konferenzteilnehmern die absolute Minderheit. Doch es war nicht nur das Altersproblem, das den Solidaritätsbewegten zu schaffen machte. Den Schwerpunkt ihrer Arbeit bildet nicht mehr die Organisation von Protesten und Demonstrationen, sondern das Sammeln von Computern, Medikamenten und technischem Gerät, die auf der devisenschwachen Karibikinsel Mangelware sind.

Offiziell gibt es in Kuba 35.000 Internetbenutzer, 1.100 Hosts, 5 Internetprovider und mehr als 200 kubanische Websites.

Zu wahren Fundraising-Profis haben sich mittlerweile die Aktivisten der lose mit der PDS verbundenen Organisation Cuba Si entwickelt. Ganze Schiffscontainer mit Spendengütern wurden unter ihrer Regie in den letzten Jahren nach Kuba verschifft. Noch mehr stehen zum Abtransport bereit. Nur der Mangel an Transportkapazitäten setzte den Güterfluss Grenzen. Eine solche Arbeit fördert den Pragmatismus.

"Auf lange Theoriediskussionen hat man dann keine Lust mehr", geben Solidaritätsbewegte unumwunden zu. Das machte sich auch im Kongressablauf bemerkbar. So hatte man mit Hans-Olaf Henkel sogar den Vorsitzenden des Bundesverband der Deutschen Industrie eingeladen. Der ließ sich allerdings entschuldigen. Die Kontakte zwischen den deutschen und kubanischen Wirtschaftsleuten läuft schließlich nicht über die Berliner Kongresshalle.

Schon längst hat die deutsche Wirtschaft Kuba als Investitionsstandort erkannt. Schließlich droht keine Konkurrenz durch US-Unternehmen. Denen ist wegen der amerikanischen Embargobestimmungen jeglicher Handel auf Kuba strengstens verboten. Auch die kubanische Regierung hat als Ausweg schon seit längerem den Ausbau der Beziehungen zu den EU-Staaten zu ihrem Programm erhoben. Lange Zeit blieb es ein recht einseitiges Liebesmühen. Aus Bündnistreue gegenüber den USA oder wegen der eigenen politischen Orientierung hofften auch die EU-Staaten lange Zeit auf den Sturz von Fidel Castro und hielten sich mit Investitionen zurück.

Doch im Zuge der Herausbildung einer Wirtschaftsmacht EU, die in den USA ihren Konkurrenten sieht, hat sich die Situation in den letzten Jahren verändert. Mittlerweile geben sich europäische Politiker und Wirtschaftsvertreter auf der roten Insel die Klinke in die Hand. Das ist für die Solidaritätsbewegung eine ungewohnte Situation. Lange Jahre prangte man die eigene Regierung als Erfüllungsgehilfe der USA beim Embargo gegen Kuba an. Jetzt geriert man sich als Türoffner für bessere Kontakte zwischen Kuba und der EU.

In der Konferenz-Abschlusserklärung wurde ausdrücklich der rasche Ausbau der Beziehungen gefordert. "Die Kritik an der Verfasstheit der EU und ihrer einzelnen Staaten wird deshalb auch auf einige unverzichtbare rhetorische Floskeln zurückgenommen", bemängelten einige Kongressteilnehmer. "Wir sind Teil der Solidaritätsbewegung und nicht alternative Wirtschaftsanbahner", meinten einige bayerische Che-Fans enttäuscht.

Doch eigentlich wird hier nur nachvollzogen, was in anderen Teilen der einst sehr vielfältigen Solidaritätsbewegung längst abgeschlossen ist. Man hat sich etabliert und versteht sich eher als Nichtregierungsorganisationen (NGO) denn als Politgruppe. Zu einer professionellen NGO gehört natürlich der souveräne Umgang mit Laptop und Internet. So darf denn auch unter den Kongressmaterialien ein Blatt unter dem Titel "Kuba im Internet" nicht fehlen.

Für NGOs und Unternehmen unverzichtbar sind exakte und aktuelle statistische Daten über Kuba. Unter www.cubagob.cu stößt man auf eine große statistische Datenbank, von der alle wichtigen Informationen in Englisch und Spanisch abgerufen werden können. Unter cubaweb.cu findet man einen thematisch geordneten Katalog mit viel Wissenswertem über die Karibikinsel, die sich aber nur Menschen erschließt, die der spanischen Sprache mächtig sind.

Oft wird gefragt, wie sich die Umstellung auf den Dollar im kubanischen Arbeitsleben auswirkt. Über www.trajadores.cubaweb.cu könnte man eine Antwort bekommen. Hinter dieser Adresse verbirgt sich nämlich die Zeitung der kubanischen Gewerkschaften. Auch die traditionsreiche kubanische Parteizeitung Granma kann man via Internet unter www.granma.cubaweb.cu tagesaktuell verfolgen. In der nächsten Zeit soll das Internetangebot über Kuba auch auf die kulturellen Aspekte ausgeweitet werden. Die Fans von Buena Vista Social Club und Cubanisimo werden es zu schätzen wissen.