2017 das letzte Kohlekraftwerk ans Netz

Die IEA legt jährlichen World Energy Outlook vor. Ein Ergebnis: Die Zeit, um den Klimawandel noch im halbwegs erträglichen Rahmen zu halten, wird äußerst knapp

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Starken Tobak gab es am Dienstag in London bei der Vorstellung des Jahresberichts der Internationalen Energieagentur IEA: „Ohne einen mutigen Richtungswechsel in der Politik wird sich die Welt in einem unsicheren, ineffizienten und vor allem af Kohlenstoff basierenden Energiesystem festfahren.“

Die Agentur hat verschiedene Szenarien durchgerechnet, darunter ein New Policies Scenario, das davon ausgeht, dass die bereits eigegangenen Verpflichtungen zum sparsameren Energieeinsatz, dem Umstieg auf Erneuerbare und die Reduktion der Emissionen auch umgesetzt werden.

In diesem Szenario nimmt der globale Primärenergiebedarf zwischen 2010 und 2035 um ein Drittel zu und zwar zu 90 Prozent in den Entwicklungs- und Schwellenländern. China wird dann 70 Prozent mehr Energie als die USA benötigen, wobei auch dann der Pro-Kopf-Bedarf noch weniger als die Hälfte des US-amerikanischen betragen wird. Der Anteil der erneuerbaren Energieträger steigt in diesem Szenario nur moderat von 13 auf 18 Prozent.

Die kumulativen CO2-Emissionen werden in diesem Szenario zwischen 2010 und 2035 drei Viertel dessen ausmachen, was in den letzten 110 Jahren in die Luft geblasen wurde, und langfristig zu einer globalen Erwärmung von 3,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau führen. Ohne die bisherigen Verpflichtungen zur Begrenzung von Energieverbrauch und Emissionen wäre die Welt auf einem noch viel gefährlicheren Weg, so die IEA, an dessen Ende eine Erwärmung von sechs Grad Celsius stünde.

Dem Szenario liegt die Annahme zugrunde, dass die Subventionen für erneuerbare Energieträger von heute 64 Milliarden US-Dollar auf 250 Milliarden im Jahre 2035 steigen werden. Angesichts klammer öffentlicher Kassen sei das nicht immer gesichert, aber im Vergleich zu der nach IEA-Angaben derzeit jährlich geleisteten Unterstützung für den Verbrauch fossiler Kraftstoffe in Höhe von 409 Milliarden US-Dollar ist das durchaus noch recht moderat.

In Sachen Ölpreis erwartet die IEA wenig Veränderungen. Der werde 2035 bei 120 US-Dollar pro Barrel liegen. Also nur knapp über dem aktuellen Preis der europäischen Referenzsorte Brent. Allerdings steht diese äußerst optimistische Annahme in mehrfacher Hinsicht auf wackeligen Beinen. Zum einen wird die Zunahme der Förderung zu mehr als 90 Prozent aus aus dem Nahen Osten und Nordafrika kommen müssen, eine Region, die nicht gerade für politische Stabilität bekannt ist.

Zum anderen wird viel davon abhängen, ob dort auch in den nächsten Jahren die Investitionen getätigt werden, die für eine Steigerung des Ölflusses notwendig sind. 100 Milliarden jährlich wären nach Ansicht der IEA erforderlich. Sollte die tatsächliche Investitionssumme um ein Drittel geringer ausfallen, so könnte der Rohölpreis schon bald auf 150 US-Dollar pro Barrel steigen.

Fragt sich natürlich, ob da eine Ausweitung der Produktion für die Förderländer attraktiv ist. Wenn das Angebot knapp gehalten wird, lässt sich mit einer kleineren Förderung genauso viel oder gar noch mehr Geld verdienen. Die Länder müssten sich nur einig sein.

Schließlich ist es durchaus eine offene Frage, ob die Produktion überhaupt noch im nennenswerten Umfang ausgeweitet werden kann. Die IEA geht davon aus, dass die Nachfrage von 87 Millionen im vergangenen Jahr auf 99 Millionen Barrels pro Tag im Jahre 2035 steigen wird. Aber deren Deckung hängt natürlich davon ab, dass sich alle diejenigen, die von einem baldigen Erreichen der Förderhöchstmenge oder des Oil Peaks sprechen, gründlich irren.

Die IEA hat übrigens auch ein sogenanntes 450-Szenario durchgerechnet, also eines, in dem die CO2-Konzentration in der Atmosphäre 450 Millionstel Volumenanteile (ppm) nicht übersteigt und der globale Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius begrenzt werden kann. Das Problem: Vier Fünftel der Energie bedingten Emissionen, die in diesem Szenario 2035 noch zulässig sein werden, sind bereits jetzt in den existierenden Investitionen zum Beispiel im Kraftwerkspark festgeschrieben. Wenn die Entwicklung in den nächsten Jahren so weiter geht, dann dürfte ab 2017 weltweit kein Kohlekraftwerk mehr gebaut werden.