Ärzte und Sexualberater bemängeln Beschneidungsgesetz

Ältere Kinder sollen besser über "mögliche Einschränkungen der sexuellen Erlebnisfähigkeit" aufgeklärt werden

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Am 12. Dezember 2012 verabschiedete der Bundestag nach einem kontrovers diskutierten Urteil des Landgerichts Köln einen neuen Paragrafen //dejure.org/gesetze/BGB/1631d.html, der im Bürgerlichen Gesetzbuch regelt, dass die elterliche Personensorge "auch das Recht [umfasst], in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll".

Ärzte stellen diesem neuen Gesetz ein Jahr später ein schlechtes Zeugnis aus: Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der Pressekonferenz der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ), des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) und mehrerer anderer Organisationen kritisierte der Kinderarztsprecher Ulrich Fegeler, dass Absatz 2 des neuen Paragrafen in den ersten sechs Monaten nach der Geburt auch religiösen Zeremonienmeistern, die keine ausgebildeten Ärzte sind, Beschneidungen erlaubt, obwohl diese kein "simpler Schnitt", sondern ein "hochpräziser Eingriff" seien.

Aus diesen Gründen kommt es immer wieder zu Komplikationen wie lang anhaltenden und gefährlichen Blutungen oder Infektionen. Manfred Gahr, der Generalsekretär der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin, fordert deshalb, dass Mohalim wenigstens einer ärztlichen Aufsicht unterstellt werden.

Dem Kinderchirurgenverbandspräsidenten Bernd Tillig zufolge verwenden solche religiösen Beschneider häufig die Lidocaincreme Emla, die sich aus medizinischer Sicht jedoch nicht dafür eigne, Schmerzrezeptoren in der Vorhaut zu betäuben. Eine Vollnarkose ist ihm zufolge keine gangbare Alternative, weil sie ein verhältnismäßig hohes Risiko birgt, dass der Säugling dabei stirbt oder dauerhafte Hirnschäden davonträgt. Dieses Risiko könne man nur dann eingehen, wenn auf der anderen Seite einer Abwägung vergleichbar wichtige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit auf dem Spiel stehen.

Andreas Bergen von der ebenfalls auf der Pressekonferenz vertretenen Deutschen Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung (Pro Familia) fordert, dass Kinder erst dann beschnitten werden sollen, wenn sie "einsichts- und urteilsfähig" werden, was seiner Meinung nach auf jeden Fall nicht in der Grundschule der Fall ist, wo viele Jungen aus moslemischen Familien beschnitten werden. Er bemängelt, dass das "sehr schlampig formulierte" Gesetz keine Pflicht enthält, dass solche Kinder vor einer Beschneidung über "Risiken" und "mögliche Spätfolgen" wie eine "Einschränkung der sexuellen Erlebnisfähigkeit" aufgeklärt werden.