Affäre Edathy: Gabriel sträubt sich gegen Aufräumen in der SPD

Welche Personen trugen dazu bei, dass bei dem Abgeordneten nur noch ein einziger funktionstüchtiger Computer und Teile zerstörter Festplatten gefunden wurden?

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Gestern räumte der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich seinen Posten als Bundeslandwirtschaftsminister, weil herauskam, dass er während der Koalitionsverhandlungen im Oktober SPD-Chef Gabriel darüber informiert hatte, dass der Name des SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy in internationalen Ermittlungen auftauchte. Gabriel gibt in der Bild-Zeitung mittlerweile indirekt zu, dass der "damals sehr geschätzte" Edathy "im Rahmen der Fraktions- oder Regierungsbildung" zu einem "höheren Amt" kommen hätte können, was Friedrich durch seine Warnung verhinderte. Um welches Amt es wahrscheinlich ging, das hat Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung in einem Gastkommentar für Telepolis dargelegt:

Edathy gab sich als fanatischer Verfechter der Vorratsdatenspeicherung. Wäre er Justizminister geworden, hätte er sie voraussichtlich ohne zu zögern eingeführt. Wären Wohnungen und Büros eines Justizministers Edathy durchsucht worden und hätte man dort strafbare Bilder und Filme gefunden, dann hätte nicht nur er selbst zurücktreten müssen, dann hätte auch die Bundesregierung in Sachen Vorratsdatenspeicherung ein Argumentationsproblem gehabt, weil der Fall illustriert hätte, dass die anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten gegen diejenigen, wegen denen sie angeblich notwendig ist, so wenig nutzt, dass diese sie sogar selbst befürworten.

Edathy selbst bestreitet jedoch, jemals strafbare Kinderpornographie besessen zu haben. Allerdings spricht auch viel dafür, dass er auf die Durchsuchungen, bei denen lediglich zwei "offensichtlich gesäuberte" Computer und "Spuren" weiterer Geräte gefunden wurden, vorbereitet war.

Gabriel ist der Meinung, Friedrich habe von der Koalition Schaden abgewendet und zahle nun einen "hohen Preis" dafür. Der könnte noch etwas höher werden, wenn eine Staatsanwaltschaft und ein Gericht zum Ergebnis kommen, dass sich der Oberfranke mit seiner Plauderei des Verrats von Dienstgeheimnissen oder der Strafvereitelung im Amt schuldig machte. Dass der ehemalige Innenminister die Information selbst an Edathy weitergab, ist unwahrscheinlich.

Sehr viel lebensnaher ist, dass der Weg über Gabriel, den SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und möglicherweise weitere SPD-Politiker oder –Mitarbeiter ging. Oppermann erkundigte sich nämlich beim BKA-Chef Jörg Ziercke (der selbst SPD-Parteimitglied ist) nach den Gerüchten, wobei Ziercke sich die Frage nur angehört und nichts gesagt haben will. Wer jemals bei einer Pressestelle oder einem Politiker angerufen hat, der weiß sehr gut, dass sich eine solche "Nichtauskunft" problemlos so gestalten lässt, dass der Gegenüber weiß, was tatsächlich zutrifft und was nicht.

Trotz dieser Merkwürdigkeiten sieht Gabriel unter den Mitgliedern seiner Partei keinen Anlass für "personelle Konsequenzen". Das dürfte auch daran liegen, dass der am nächsten liegende Verantwortliche neben Oppermann und Ziercke er selbst wäre.