Agenten mit Herz

Spionagechefs in geheimer Missionarsstellung

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Der überraschend zurückgetretene CIA-Chef General David Petraeus ist über eine außereheliche Affäre mit seiner Biografin gestürzt - in den prüden USA ein weitaus schwerwiegender Vorwurf als etwa die über 175 Kinder, die in den letzten Jahren durch CIA-Drohnenangriffe niedergemetzelt wurden. Ausgerechnet der Chefspion wurde durch mitgeschnorchelte E-Mails als Sicherheitsrisiko enttarnt. Während die amerikanischen Schlapphüte wenig Talent besaßen, die "Honigfalle" selbst aktiv einzusetzen, so stolperten sie gelegentlich über ihre Triebe, vor allem aber über das US-amerikanische Moralempfinden.

Petraeus beerbt in Sachen Seitensprünge seinen großen Vorgänger Allen Dulles. Der spätere CIA-Chef Dulles, der ursprünglich sogar einmal Prediger werden wollte, hatte während seines OSS-Einsatzes im Zweiten Weltkrieg als "001" in Bern ein Verhältnis mit der lebenslustigen Mary Anne Bancroft, die zum Freundeskreis des Psychologen C.G. Jung gehörte. Während Dulles Ehe mit seiner amerikanischen Ehefrau Clover eher "brav" verlief, wurde der Spion von Bancroft in die Spielarten der körperlichen Liebe eingeführt. Sie klärte den insoweit ungebildeten Geheimagenten insbesondere über die Praktiken gleichgeschlechtlich Liebender auf, die für Dulles schon deshalb interessant waren, weil viele seiner damals wichtigsten Zuträger homosexuellen Netzwerken in Deutschland angehörten, die an konspiratives Verhalten gewohnt waren. Dulles Familie ging mit dem Seitensprung des Familienvaters, der in den USA in den höchsten konservativen Kreise verkehrte, erstaunlich souverän um, Clover Dulles und Mary Anne Bancroft freundeten sich später sogar an. Die Medien hätten damals über Dulles Seitensprung vermutlich nichts geschrieben, denn Bancroft hatte auch eine Beziehung mit dem mächtigen Verleger Henry Luce.

Wegen seines Sexuallebens erpressbar war FBI-Chef Hoover, der die Ehe gar nicht erst einging, sondern mit einem Freund zusammenlebte. Die amerikanische Mafia soll ein Foto besessen haben, das den konservativen Geheimdienstchef in Frauenkleidern zeigte. Obwohl es über Hoovers Liebesleben allerhand Gerüchte gab, verfügte der verschlagene Strippenzieher über so umfangreiches Herrschaftswissen, das ihm nichts passieren konnte. Umgekehrt achtete der konservative Schattenmann peinlich darauf, das FBI vor Homosexuellen zu bewahren. Besorgt war Hoover über den den MI5-Mann Guy Burgess, den er als erpressbar einstufte, da dieser auffällig in der Schwulenszene verkehrte - tatsächlich war Burgess längst ein Doppelagent des KGB.

Weniger Glück hatte der britische Kriegsminister John Profumo, der für drei Wochen eine außereheliche Affäre mit dem Callgirl Christine Keeler einging. Da Keeler später auch einen sowjetischen Militärattaché traf, konstruierten Labour-Politiker im Wahlkampf von 1963 eine entsprechende KGB-Räuberpistole. Nachdem Profumo über seine Affäre einen Ausschuss belog, musste er zurücktreten. Parallel hierzu entfaltete sich der echte Spionageskandal um MI5-Chef und KGB-Doppelagent Kim Philby. Obwohl der Anlass zur Profumo-Affäre lächerlich war, wurde auch Premierminister Macmillan hierdurch beschädigt und die britische Gesellschaft erschüttert.

Auch das Karriereende des legendären DDR-Geheimdienstchefs Markus Wolf hatte triviale Gründe. So pflegte man im MfS in Eheangelegenheiten moralische Standards, die Wolf mit denen des Vatikan verglich. Wer seiner Ehefrau nicht die Treue erwies, wurde als charakterlich zweifelhaft bewertet und daher aus dem sich als elitär empfindenden Dienst entfernt. Auch bei Wolf, dessen erstes Westfoto überhaupt ihn beim Verlassen eines schwedischen Sex-Shops zeigte, machte man keine Ausnahme. Hinzu kam, dass Wolfs betrogene Frau sich in den Armen eines BND-Agenten ausweinte, was dem MfS ebenfalls Kummer bereitete.

Zu den Spionage-Chefs, die Pech mit ihrem Geschlechtstrieb hatten, gehört auch Bobby Ray Inman. Der Militär galt von 1977 bis 1981 als glanzvoller Leiter des Abhörgeheimdienstes National Security Agency (NSA). Inman überstand zwar seine Zeit in Crypto City, als er jedoch unter Clinton 1993 zum Verteidigungsminister im Gespräch war, wurde er mit Gerüchten über seine angebliche Homosexualität gemobbt. Inman versuchte, das Getratsch zu entkräften, indem er Teile seines Privatlebens preisgab, die er zuvor bei Sicherheitsüberprüfungen verschwiegen hatte, was ihn erst recht in die Bredouille brachte.