Al-Qaida distanziert sich vom Ableger ISIL

Syrien: Fitna unter den Dschihadisten

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Auch die „Friedensverhandlungen“ unter den militärisch stärksten Gegnern der syrischen Regierung sind gescheitert. Die Kommandozentrale der al-Qaida, so teilt der international als Fachmann für die Zusammensetzung des syrischen militärischen Widerstands geltende Aron Lund mit, hat sich in einer Botschaft eindeutig von ISIL distanziert:

"Die Dschihad-Gruppe der Qaida verkündet hiermit, dass sie in keiner Weise mit der Gruppe, die sich Islamischer Staat im Irak und in der Levante (ISIL) nennt, verbunden ist. Wir wussten nichts von ihrer Gründung. Die Gruppe war weder auf unsere Anweisungen bedacht, noch auf unseren Rat. Wir waren damit nicht glücklich und befahlen dem ISIL, dass er mit ihren Aktivitäten aufhört. ISIL gehört nicht zur Dschihad-Gruppe der Qaida und es gibt auch keine organisatorische Verbindung."

Dschihad-Experten wie Lund oder Pieter Van Ostaeyen sehen darin kein Täuschungsmanöver, sondern den Versuch der Qaida größeren Einfluss auf den Dschihad in Syrien zu nehmen.

Gruppierungen des derzeit größten militanten Verbands, der Islamischen Front, tragen seit Anfang des Jahres zusammen mit kleinere Gruppen kriegerische Machtkämpfe gegen die ISIL aus. Die berüchtigte Jabath-al-Nusrah stand zwischen den Fronten - sie gilt als offizieller Vertreter der al-Qaida in Syrien; allerdings war lange Zeit nicht ganz klar, wie die Beziehung des ISIL zur Qaida-Führung geartet ist. Immerhin ging die Vorgängergruppe Islamischer Staat im Irak (ISI) von der al-Qaida aus. Die Zurückhaltung der al-Nusra, sich im Konflikt auf eine Seite zu schlagen, wurde auch damit begründet.

Wenn sich nun das Kommando der Qaida gegen den ISIL stellt, so würde dies den Weg der al-Nusrah zu einem Zusammenschluss mit der Islamischen Front ebnen und al-Qaida würde sich eine bedeutende Rolle im bewaffneten syrischen Widerstand sichern. Mitglieder wichtiger Rebellengruppen, die den Kurs der Islamischen Front bestimmen, stehen der al-Qaida nahe.

Der Konflikt mit dem ISIL, ausgebrochen Anfang des Jahres, hatte in der internationalen Öffentlichkeit zunächst zu Spekulationen darüber geführt, dass sich auch in Syrien eine Art sunnitische Awakening-Bewegung entwickeln könnte, die wie im Irak (vgl. Das große "Erwachen" im Irak) al-Qaida Einhalt gebieten würde. Doch sieht es nach der Botschaft aus dem Al-Qaida-Kommando derzeit eher so aus, als ob sich die Terrororganisation dieses Mal sich auf Seiten der sunnitischen Gruppen stellt – gegen den Ableger ISIL. Damit dürfte eine weitere kriegerische Front in Syrien fest etabliert werden.