Amt 2.0 oder: Anspruch und Wirklichkeit in Bezug auf "neue Medien"

Außer Kontrolle

Amt 2.0, Netzkompetenz, papierloses Büro und direkter Draht zum Bürger: Schlagworte, die immer wieder gerne in Bezug auf das Netz und Behörden aufgegriffen werden. Die Realität sieht jedoch anders aus. Ein Beispiel für alte Denk- und Verhaltensweisen.

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Vor drei Wochen schrieb ich hier über meinen derzeitigen Mailwechsel mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Auslöser für meinen Blogeintrag war eine Anfrage meinerseits gewesen, die man mit der Bitte um meine postalische Anschrift beantwortete. Nun ging es in der Anfrage keineswegs um irgendwelche vertraulichen Informationen oder dergleichen, es handelte sich vielmehr um eine Frage, die sich auf die Codenummern im Referentenentwurf zu ALG II bezog.

Daher würde ich mich freuen, wenn Sie mir mitteilen könnten, worauf sich die Codenummern im Referentenentwurf zu den neuen ALG II-Sätzen beziehen, z.B. die Ziffer 1050 900, und wo ich diese Ziffern nachlesen kann.

In der Anfrage hatte ich mich kurz vorgestellt, mitgeteilt, für welche Publikationen ich Beiträge verfasse und bat um vorgenannte Information. Eine Information, welche meiner Meinung nach unabhängig von dem Anfragenden herausgegeben werden könnte, weshalb mich die Antwort des BMAS auch irritierte.

vielen Dank für Ihre Zuschrift, die ich gern an die zuständige Fachabteilung weiterleiten möchte.

Um Ihnen baldmöglichst die gewünschte Antwort zukommen lassen zu können, benötige ich jedoch Ihre postalische Anschrift. Bitte ergänzen Sie daher den Vorgang mit Ihren Absenderangaben und senden ihn erneut komplett ab. war dort neben dem Disclaimer sowie den Informationen über Öffnungszeiten usw. zu lesen.

Wozu Email, wenn man einen Brief schreiben kann?

Nachdem ich meine Postadresse mitgeteilt hatte, herrschte Schweigen. Zwar war mir bewusst, worauf sich die Codenummern bezogen, da einige nicht mit den betreffenden Codenummern des Statistischen Bundesamtes übereinstimmen, hatte ich gehofft, man würde mir die Diskrepanzen erklären können. Die Antwort ließ jedoch auf sich warten.

Gestern, also exakt drei Wochen später, erreichte mich das Schreiben des BMAS auf postalischem Wege. Es enthielt die folgende Information und war auf den 17. November 2010 datiert:

Die Codenummern sind Klassifizierungen als Koordinierungs- und Standardisierungsinstrumente, um die einzelnen statistischen Daten auch auf internationaler Ebene vergleichbar zu machen.

Die Klassifizierung liegt im Zuständigkeitsbereich des Statistischen Bundesamtes. Für weitergehende Fragen bitte ich Sie, sich an das Statistische Bundesamt zu wenden.

In Zeiten von Email, papierlosem Büro und Co. finde ich es bemerkenswert, dass eine solch simple Antwort nicht etwa per Email gegeben werden kann, sondern hierzu ein Brief, der immerhin 14 Tage bis zur Antwort benötigte, geschrieben werden musste. Sicherlich bin ich nicht die Einzige, die Anfragen stellt, aber solch banale Informationen dürften doch schnell von der Hand gehen. Auch ist gerade in Zeiten von Sparsamkeit und Digitalisierung die Frage, ob wirklich für jede noch so simple Standardauskunft ein Brief notwendig ist.

Der Fall ist nur ein Beispiel von vielen, die aufzeigen, dass in vielen Behörden und Ämtern zwar von Netzkompetenz und Web 2.0 gesprochen wird, dass althergebrachte Denk- und Verhaltesnweisen jedoch so verinnerlicht wurden, dass sie noch immer die Verfahren bestimmen. Egal ob selbst für banalste Auskünfte gleich die persönlichen Daten abgefragt werden oder für alles und jedes Briefe abgesandt werden - die Digitale Welt ist für viele Behörden lediglich darin bestehend, dass es eine Emailadresse gibt, alles andere geht seinen nichtdigitalen Amtsweg.