Antiterrorgesetz dient britischen Kommunen zum Durchsuchen von Mülltonnen

Nach einem Medienbericht haben zahlreiche Kommunen Profile von Bürgern anhand der Inhalte ihrer Mülltonnen angelegt, um das Recycling zu fördern

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Großbritannien ist einer der Pioniere, wenn es um die Einführung des Überwachungsstaats geht. Den hat die frühere Labour-Regierung, vor allem nach dem 11.9., massiv ausgebaut. Wie auch in anderen Ländern diente die Terrorismusgefahr dafür, die staatliche Überwachung auch in Bereiche einzuführen, die nicht einmal etwas mit der Bekämpfung von schweren Verbrechen zu tun haben.

Besonders abstrus ist, dass mit dem Antiterrorgesetz //security.homeoffice.gov.uk/ripa/reg-investigatory-powers/: RIPA (Regulation of Investigatory Powers Act), das 2004 entsprechend erweitert wurde, Hunderte von Behörden praktisch einen Freibrief erhalten haben, um Bürger auch wegen geringfügiger Angelegenheiten auszuspionieren. Wer unter Verdacht steht, vielleicht falsche Angaben gemacht zu haben, um sein Kind in eine andere Schule als vorgeschrieben zu bringen, wer möglicherweise die Kacke seines Hundes nicht von der Straße entfernt oder schon mal seine Abfalltonne zu früh an die Straße stellt, muss nicht nur damit rechnen, dass er beobachtet, sondern auch dass seine Telefon- und Internetkommunikation abgehört wird.

Namen und Adressen, Verbindungsdaten, besuchte Websites und Lokalisierungsdaten bei Mobiltelefonen sowie die Inhalte von Briefen, Telefongesprächen und Mails können zur Prävention, Aufdeckung und Verfolgung von Verbrechen oder zum Schutz der öffentlichen oder nationalen Sicherheit können von 792 Ministerien, Behörden und Institutionen bis hinunter zu kommunalen Behörden oder der Feuerwehr ohne richterliche Genehmigung und nur über einen Antrag des Vorgesetzten einer Behörden kontrolliert werden. Die neue Regierung verspricht, die Hürden anzuheben und die Zahl der Behörden zu beschränken, die Überwachungsmaßnahmen anordnen dürfen.

Allerdings kam jetzt gerade aufgrund von Eingaben nach dem Informationsfreiheitsgesetz heraus, dass die kommunalen Behörden alles Maß verloren und hemmungslos die Freiheit ausgenutzt haben. Man möchte es kaum glauben, aber mindestens 90 Kommunen wie Leeds, Poole, Kensington and Chelsea oder Swindon haben im Zuge eines Recycling-Programms letztes Jahr die Inhalte der Abfalltonnen von 10.000 Haushalten geheim überprüfen lassen, um Profile der Nutzer anzulegen. Damit wollte man herausbekommen, welchen ethnischen Hintergrund die Familien haben oder welcher Einkommensschicht sie angehören, um sie dann Kategorien (wealthy achievers, hard-pressed …) zuzuordnen und gezielt mit Aussendungen ansprechen zu können.

Neben Hinweisen, in welchen Supermärkten eingekauft oder welche Lebensmittel weggeschmissen werden, wurden schon auch einmal die Inhalte weggeworfener Briefe gelesen, berichtet Daily Mail. In Hackney wurden etwa Daten über vier verschiedene Gruppen wie gesammelt, um herauszubekommen, wer wie viel Müll entsorgt. Da ging es darum, ob die Menschen in "multiethnischen Privatwohnungen" leben oder ob es sich um Wohnungen von "wohlhabenden Yuppies" handelt. Wie erwartet, so die Auswertung der Daten, würden die gut Ausgebildeten, die in schicken Wohnungen leben, am wenigsten Müll wegschmeißen. Andere Gemeinden fanden heraus, dass mitunter bis zur Hälfte der Lebensmittel in den Tonnen recycelt werden könnte.

Aufruhr hatte es bereits 2006 gegeben, als Chips an Mülltonen angebracht wurden, um die Bürger zum Recyceln zu bringen ( Der Spion in der Tonne). Proteste kamen auch, als auch schon mal gegen Müllsünder und "Umweltverbrecher" Überwachungskameras eingesetzt wurden.