Atomstreit mit Iran: Vertrauen so groß wie ein kleiner Medizinball

Zur Sicherheitskonferenz in München werden neue Vermutungen über ein Atomwaffenprogramm des Irans genährt.

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Irans Atomprogramm ist bedrohlicher als bekannt - das mutmaßt ein Bericht, der gestern auf Seite 2 der Süddeutschen Zeitung zu lesen war. Demnach weisen Einzelteile und Spuren aus verschiedenen Projekten, Dokumenten, Expertisen und Kooperationen auf einen Willen zur Atombombe in Iran hin. Das Land habe schon jetzt ausreichend Informationen, um einen nuklearen Sprengkopf mit einem technisch avancierten Zündmechanismus zu bauen. Das Know-How dafür lieferte laut Recherchen ein russischer Wissenschaftler, Spezialist für ausgeklügelte Detonationen und ehemaliger Mitarbeiter in einem sowjetischen Nuklearwaffenlabor.

Nur so groß wie ein kleiner Medizinball sei der geplante Sprengkopf, die Dimensionen seines technisch elegant auf wenig Platz untergebrachten Implosionsmechanismus, der die Kettenreaktion in Gang setzt, würden maßgenau mit den Abmessungen der Kammer jenes Teils der Shahab-3-Rakete übereinstimmen, der das Ziel ansteuert.

Diese "neue" Kammer sei auf Skizzen gefunden worden, die von einem iranischen Spion stammen. Laut IAEA-Inspektoren könne Iran die nukleare Nutzlast noch nicht in die Shahab-3 integrieren, das stelle die iranischen Ingenieure aber vor kein unüberwindliches Problem. Die geschätzte Zeitdauer für den Bau der Bombe gibt schließlich ein unbekannter, "unabhängiger Experte" mit 25jähriger Erfahrung ab: "Vielleicht 18 Monate, vielleicht 24, vielleicht auch drei Jahre, (...) letztlich nur eine politische Entscheidung." Grundsätzliche technische Schwierigkeiten, die Iran daran hindern würden, die Bombe zu bauen, gebe es nicht mehr.

Berichte darüber, dass Iran die Bombe plant und technisch nahe dran ist, gibt es immer wieder, sie argumentieren mit Plausibilitäten und Annahmen, gesichert ist keiner; dagegen stehen die immer wieder geäußerten offiziellen Erklärungen Irans, dass man auschließlich an einer zivilen Nutzung der Nuklearenergie arbeite und keine anderen Zwecke verfolge.

Auch an dem neuesten Bericht ist das Timing bemerkenswert. Er erscheint zu Beginn der Münchener Sicherheitskonferenz, zu der nun auch der iranische Außenminister Mottaki kommt: mit einem neuen Verhandlungsangebot und neuen Bedingungen für den Austausch von niedrig angereichertem Uran zu medizinischen Zwecken für den Forschungsreaktor in Teheran. Zuvor schon hatte Präsident Ahmadinedschad nach wochenlangem Zögern erklärt, dass er dem vom Westen geäußerten Vorschlag des Uran-Austausches zustimme. Der Vorschlag ist Verhandlungsbedingung des Westens. Mottaki präzisierte jetzt, dass er leicht angereichertes Uran aus Iran zur weiteren Aufbereitung ins Ausland geben würde, wenn es zeitlich synchron als Ersatz höher angereicherte Brennelemente für den Forschungsreaktor bekomme.

Die erneute Annäherung wird als eine "Charmeoffensive" bezeichnet, die geteilte Reaktionen im Verhandlungslager auslösen soll. Auch das nichts Neues. Die zuletzt erfolgten Erklärungen aus dem Westen lassen eher darauf schließen, dass das Misstrauen Sieger bleibt, der Kurs geht Richtung neue Sanktionen gegen Iran. Die USA sprechen sich deutlich dafür aus, französische Äußerungen gehen in diese Richtung und auch der deutsche Außenminister Westerwelle macht den Schulterschluss mit kongruenter Argumentation: "Der Iran hat ja in den letzten beiden Jahren mehrfach auch getäuscht und getrickst".

Wie immer sträubt sich die chinesische Regierung gegen Sanktionen; der chinesische Außenminister sieht Chancen,"die wir jetzt ausleuchten müssen". Die Haltung Russlands, bislang auch gegen Sanktionen, wird von Seiten des Westens als weniger stabil gewertet, die neuesten Berichte über die Pläne für den Atomsprengkopf könnten hier Einfluss haben, wird gemunkelt. Ob die Sicherheitskonferenz in München entscheidende neue Entwicklungen im Atomstreit des Westens mit Iran in Gang setzt, ist aber eher unwahrscheinlich angesichts der festgefahrenen Positionen. Die USA haben keinen hochrangigen Vertreter dorthin gesandt.