Auf die Ohren, wenn Du jung bist

Philadelphia haut Dir eines auf die Ohren, vorausgesetzt Du bist jung genug, das auch zu hören

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Wir hatten in unserer 9. Klasse eine sehr sympatische, wenn auch etwas irritierende junge Dame. Claudia (Name von der Redaktion geändert) konnte unglaublich nett sein und war stets sehr zuvorkommend. Aber wenn sie etwas nicht verstand, dann tat sie das mit einem mörderischen "Das versteh ich niiiiicht" kund. Und dieser Satz hatte ein so unglaubliches Frequenzspektrum vor allem in den Bereichen ab 15 kHz, dass die ersten Klassenkameraden bereits beim Einatmen von Claudia ebenfalls schreiend aus dem Klassenzimmer liefen. Arme Claudia, das verstand sie irgendwie nicht.

Dabei ist das eben eines der Geheimnisse des heranwachsenden Menschen: je lärmende er/sie in jungen Jahren ist, nicht wahr, desto empfindlicher kann er/sie durch ebenfalls zu laute Geräusche in seiner Entwicklung gestört und irritiert werden. Gemeinerweise kann diese juvenile Ruhestörung in einem Frequenzband ablaufen, das den erwachsenen Zuhörer vollkommen kalt lässt. Wir sind ja im fortlaufenden Alter mindestens über 15 kHz so strunzentaub, dass da oben ein Düsenjet lärmen kann, und wir räkeln uns nur gemütlich auf dem Sofa und finden, dass es hier aber schön entspannend zugeht.

Nun, diesen Effekt kann man sich natürlich als Jugendlicher produktiv zunutze machen und einen Klingelton auf seinem Handy installieren, den Erwachsene nicht mitbekommen. So bleiben die eintreffenden SMS und Sprachnachrichten für die schon ins Alter geratene Umwelt verborgen - und der Heranwachsende lächelt diabolisch.

Dieses Lächeln wird ihm/ihr aber vergehen, wenn er/sie in die Nähe von Philadelphia gerät. Dort hat es sich eine Stadtverwaltung nämlich nicht nehmen lassen, am Philly Park, wo sich der philadelphianische Jugendliche dereinst nachts gerne zu versammeln gedachte, ein sogenanntes "Mosquito" Tool zu installieren. Und diese Schallbox dröhnt dermaßen laut in einem Frequenzbereich von 17.5 kHz und 18.5 kHz, dass den dortigen Kids geradezu das Blut in den Adern gefriert und sie schreiend den Park meiden.

Gut, da darf man sich jetzt auch nicht zu pingelig sein und sich etwa darüber wundern, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dieses Gerät mit einem Bann versehen hat. US-Teenager hören ja auch diese schrecklich laute Gitarrenmusik, da wird so ein Mosquito nicht weiter auffallen. Dummerweise nur SPÜREN ältere Menschen, also etwa solche in unserem Alter, diesen Klang nicht körperlich und bekommen Kopfschmerzen, während sie sich noch wundern, dass sie von schreienden Kindern überrannt werden, die das Weite suchen, sobald Strom auf den Parklautsprechern liegt. Dabei ist es doch ganz still.

Ich glaube ja, das Prinzip ist in den vergangenen Jahren in den USA hoffähig geworden. Da hat man schließlich einen Präsidenten, der bei der einen Hälfte der Bevölkerung mit seinem Gebrabbel keine Reaktion mehr auslöst, während die andere mit blutenden Ohren versucht, irgendwie noch schnell Twitter oder Fox News zu schließen.

Für beide Techniken würde ich sagen: sie ist menschenverachtend. Da müsste es andere Möglichkeiten geben, und bis dahin dürfte ich im Interesse zumindest eines Teils der verwundbaren Bevölkerung darum bitten, diese Tröten erst einmal abzuschalten. Auch die mit schlechter Haarfrisur.