Baschar al-Assads Ende "unausweichlich"

Laut eines Vertreters des US-Außenministeriums, der sich auf Aussagen führender arabischer Politiker beruft, ist der syrische Autokrat der nächste, der gehen muss

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Die Lage in Syrien ist konfus, unüberschaubar und schwierig. Dass der Autokrat Baschar al-Assad und seine Herrschaftsclique über keinen Rückhalt mehr verfügen, außer dem ihrer bewaffneten Truppen, kann nicht vorausgesetzt werden, anders als dies oft dargestellt wird. Unabhängige ausländische Journalisten sind im Land unerwünscht, dennoch sind einige da, hervorzuheben wären etwa Nir Rosens Reportagen. Die Berichterstattung von al-Jazeera, das sich mit den Aufständen in Ägypten zur meist referierten Quelle der Unruhen in arabischen Ländern gemausert hat, ist nicht unabhängig und unterliegt politischen Interessen. Die Aussagekraft von Videos der oppositionellen Aktivisten ist schwer zu überprüfen. Immer wieder gibt es Vorwürfe - und nicht nur von staatlicher Seite -, dass sie manipuliert sind.

Da Syrien eine zentrale Stellung in der Region einnimmt, ist es einem Bündel von Interessen seitens der Nachbarländer und der Regionalmächte ausgesetzt. Syrien ist ein wichtiger Schauplatz des Kalten Krieges zwischen den USA, ihren Verbündeten in der Region, allen voran Israel und Saudi-Arabien, und Iran. Zum komplizierten Wechselspiel dieser Interessen - die im Dunkelfeld der öffentlichen Aufmerksamkeit ins Werk gesetzt werden und als nicht überprüfbares Argument im Infokrieg auftauchen - kommen interne Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppierungen innerhalb des Landes, die sich seit den Unruhen weiter verstärkt haben. Insbesondere zwischen Sunniten und Alawiten, aus denen sich die Führung des Landes zum größten Teil rekrutiert, hat sich das Klima verschärft, Todesdrohungen sind keine Seltenheit. Auch die Opposition ist zerstritten . Besucher des Landes berichten von Ruhe in Aleppo und Damaskus, alllerdings auch von viel Polizei und von einer veränderten Atmosphäre, die von Angst dominiert wird.

Aus diesem Kontext heraus ist schwer zu unterscheiden, ob der Vertreter des US-Außenministeriums Jeffrey Feltman mit seiner heute in den Nachrichten kursierenden Einschätzung, wonach die Herrschaft Baschar al-Assads sich dem Ende nähert, "unausweichlich", einen Wunsch und ein Interesse formuliert oder eine realistische Einschätzung. Feltmann berief sich bei seinen Aussagen vor einem amerikanischen Senatsausschuss auf Lagebeurteilungen von "arabischen Führern und Außenministern".

Die Möglichkeit, dass sich diese in Gesprächen mit US-Vertretern mehr nach diplomatischen Vorgaben als nach anderen richten, ist nicht auszuschließen. Dazu kommt, dass der syrische Autokrat vor kurzem die arabische Liga brüskierte, indem er seinem angekündigten "Gewaltverzicht" in der Praxis erneut brutales Vorgehen gegen Oppositionelle folgen ließ.

Wie lange sich Baschar tatsächlich noch halten wird, kann derzeit wohl niemand beantworten. In Frankreich ist das Angebot der politischen Führer mehrerer arabischer Staaten, Baschar Asyl einzuräumen, zur Schlagzeile geworden. Ob der syrische Präsident (einstmals wie Gaddafi mit engeren Beziehungen zu Sarkozy) auf dieses Angebot zurückkommen wird, könnte nach dem Fall Gaddafi zur nächster Episode aus der "Arabellion"-Serie werden ( U.S. Trying to Form Regional ‘Contact Group’ on Syria).