Bilder von schmackhaften Lebensmitteln machen hungrig

Wir essen nicht, weil wir Hunger haben, sondern auch, weil wir lecker aussehende Lebensmittel sehen

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Die Sorge um sich, die Michel Foucault ausgemacht hat, konzentriert sich vor allem auf die Sorge um den eigenen Körper, aber auch um den Körper der Anderen, da Sorglosigkeit eben auch auf die Mitmenschen und die Gesellschaft negativ zurückschlagen kann. Man würde gerne einfache Rezepte haben, wie man leben, sich ernähren und sich verhalten soll. Religionen und Kirchen waren die ersten Institutionen, die sich anheischig machten, Rezepte zum guten oder glücklichen Leben zu liefern. Daraus wurde schon längst eine Industrie, zu der auch die Wissenschaft gehört, die verkündet, was gesund oder einem langen Leben förderlich sein soll.

Aber man weiß, wie schnell die Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien sich ändern können, ob nun Vitamine, Butter, Wein oder was auch immer gesund oder schädlich sind. Gerade wurde eine Studie veröffentlicht ( Fett ist die sechste Gechmacksrichtung), die nachzuweisen versucht, dass es eine genetisch bestimmte, aber durch Verhalten veränderbare Geschmacksrichtung auch für Fette geben soll. Bislang habe man nur fünf Geschmacksrichtungen (süß, sauer, bitter, salzig, unami) anerkannt, die Erkennung von fetthaltigen Nahrungsmitteln aber auf deren Geruch, Aussehen oder Beschaffenheit zurückgeführt.

Dumm nur, dass eben jetzt auch eine Studie von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie veröffentlicht wurde, die behauptet, dass schon die visuelle Wahrnehmung von Nahrungsmitteln den Appetit stimuliert und das Eiweißhormon Ghrelin im Blut erhöht. Das soll nicht nur das Essverhalten steuern, sondern auch die Verdauung. Demnach müssen die Lebensmittel nicht erst im Mund ankommen, um als begehrenswert erkannt zu werden, es reicht schon, sie zu sehen, was die Lebensmittelindustrie und die Werbeagenturen freuen dürfte.

Nach Meinung der MPI-Wissenschaftler könnte eben die "allgegenwärtige Präsenz von appetitanregenden Lebensmitteln in den Medien zur Gewichtszunahme in der westlichen Bevölkerung beitragen". Man muss nämlich nicht hungrig sein, um Appetit zu bekommen, es müssen nur die richtigen Bilder präsentiert werden - in den Medien oder auch als Verpackung - , um zuzugreifen.

Während die einen Wissenschaftler also sagen, man solle möglichst keine fetthaltigen Nahrungsmittel in den Mund einführen, um Fettleibigkeit zu vermeiden oder zu reduzieren, sagen die MPI-Wissenschaftler, man soll doch auch Bilder von "appetitlichen Lebensmitteln" ausblenden oder umgehen. Das ist schon ziemlich schwierig und verlangt auch große optische Askese. Aber schon wenn wenn wir etwas sehen, was schmecken könnte, so die Wissenschaftler, sitzen wir in der Falle: "Unsere Studienergebnisse zeigen erstmalig, dass die Ausschüttung von Ghrelin ins Blut zur Regulation der Nahrungsaufnahme auch durch äußere Faktoren gesteuert wird. Unser Gehirn verarbeitet also diese optischen Reize, und ohne willentliche Kontrolle werden die körperlichen Prozesse gestartet, die unser Appetitempfinden steuern. Ein Mechanismus, der uns dazu verleiten könnte, bereits zwei Stunden nach dem Frühstück ein Stück Kuchen zu verzehren", sagt Petra Schüssler, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut.

Komplizierter wird es noch durch eine Studie von Wissenschaftlern der Uppsale-Universität. Mit der Hilfe von Gehirnscans konnten sie zeigen, dass die Gehirne von Menschen, die nicht ausreichend geschlafen haben bzw. die eine Nacht am Schlafen gehindert wurden, am nächsten Tag deutlich stärker Hunger empfinden, wenn sie Bilder von Lebensmitteln sehen, als Menschen, die normal geschlafen haben. Es könnten also nicht die Bilder von schmackhaften Lebensmitteln alleine sein, die den übermaßigen Appetit anregen, sondern auch Schlafmangel und andere Folgen des modernen Lebenstils.