Bis zu 2000 Tote in Massengrab in Kolumbien

Menschenrechtsorganisationen befürchten zivile Mordopfer der Armee

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In Kolumbien wurde das womöglich größte Massengrab in Lateinamerika gefunden. Anfang Dezember stieß der Anwalt Jairo Ramírez auf das Gräberfeld in der Nähe der Ortschaft La Macarena, rund 200 Kilometer südlich der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá. Ramírez besuchte das Gebiet in Begleitung einer Gruppe britischer Parlamentarier, als Anwohner den Besuchern das Massengrab zeigten. Seit 2005 soll die Armee des südamerikanischen Landes hier anonym Tote beerdigt haben.

In dem Gebiet kämpft der Einsatzverband Omega hier gegen Einheiten der Guerillaorganisation FARC. Rund 21.000 Soldaten stehen unter dem Kommando des Generals Javier Florez. Der Militär versteht nach dem Fund die Aufregung nicht. In dem Gebiet zwischen einem Militärlagers und einem lokalen Flughafen seien lediglich tote Guerilleros beerdigt worden. Sie seien in Kampfhandlungen gefallen.

Eben das bezweifeln Menschenrechtsorganisationen. Nach ihren Angaben sind zwischen den Jahren 2002 und 2007 gut 1100 ermordete Zivilisten als Guerilleros in die Statistiken eingegangen. "Falsos positivos" heißen diese Fälle in Kolumbien, also etwa "falsche Gegner". Menschenrechtsorganisationen führen für den blutigen Etikettenschwindel zwei Gründe an. Zum einen verlangten die USA Resultate im Kampf gegen die linksgerichtete FARC. Zum anderen bekommen Soldaten in Kolumbien von der Regierung Kopfgelder für getötete Rebellen. Die Zahl der von der Armee ermordeten Zivilisten habe deswegen enorm zugenommen. Nach Ramírez Angaben stammen viele Leichen in dem jüngst entdeckten Grab aus dem vergangenen Jahr.

Gerade die Darstellung der Armee, dass es sich bei den Bestatteten um gefallene Guerilleros handelt, gibt Anlass zur Sorge, sagt Alexandra Huck von dem in Berlin ansässigen Verein kolko - Menschenrechte für Kolumbien. Huck verweist auf 1100 dokumentierten Morde an Zivilisten, die als Rebellen ausgegeben wurden. "Das sind ja nur die Fälle, in denen die Familien die anonym begrabenen Leichen ausfindig machen konnten", sagt sie. Menschenrechtsorganisationen vermuteten, dass sich hinter den 25.000 verschleppten Menschen in Kolumbien noch viele weitere solche Fälle verbergen. Huck weist auf weiteres Problem hin: "Anscheinend hat die Staatsanwaltschaft nicht garantiert, dass die von der Armee in La Macarena bestatteten Leichen nach rechtsstaatlichen Standards untersucht wurden." Die deutsche Bundesregierung sollte deswegen "mit allem Nachdruck auf eine umfassende und schnelle Aufklärung drängen".

Die Vorwürfe gegen die Armee sind nicht neu. Durch die Militarisierungspolitik unter der Regierung von Präsident Alvaro Uribe haben Verbrechen gegen die Menschenrechte massiv zugenommen. Dabei geht es nicht nur um die Zahlungen von Kopfgeld für tote - tatsächliche oder vermeintliche - Rebellen. Nach Angaben des Senators Gustavo Petro von der Oppositionspartei Polo Democrático sind in den vergangenen Jahren 5000 Menschen aufgrund von Denunzierungen inhaftiert worden. Die Informanten bekamen auch dafür Geld.

Das Massengrab nahe La Macarena soll nun untersucht werden. Die Staatsanwaltschaft lässt sich damit jedoch Zeit. Erst im März will sie den Fall untersuchen - nach den Parlamentswahlen.