Blockiert der Bundesrat den Freihandel mit Südamerika?

Die Länderkammer könnte ein EU-Abkommen mit Peru und Kolumbien heute stoppen. Vieles hängt an nun an der Hamburger SPD-Regierung

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Wird ein von Menschenrechtsorganisationen kritisiertes Freihandelsabkommen zwischen der EU, Peru und Kolumbien heute im deutschen Bundesrat gekippt? Kritiker der Vereinbarung schließen ein Negativ-Votum der Länderkammer nicht aus, nachdem am 21. März bereits alle Oppositionsfraktionen im Bundestag geschlossen gegen das Vorhaben gestimmt hatten. Die Kritiker befürchten, dass unter der angestrebten Marktliberalisierung vor allem Kleinbauern und mittelständische Produzenten im Süden leiden werden, weil sie mit der Konkurrenz aus den Industriestaaten nicht mithalten können.

Für Konflikte sorgte das Abkommen auch, weil die Finanzmärkte liberalisiert werden sollen. Damit würde womöglich der Geldwäsche Tür und Tor geöffnet ( EU begünstigt Geldwäsche aus Drogenhandel). Vor allem im Fall Kolumbiens, wo Drogenkartelle auf Milliarden US-Dollar aus illegalen Quellen sitzen, hätte das verheerende Folgen.

Die Bundesregierung und ihr nahestehende Länderregierungen versuchen, eine Debatte um das EU-Abkommen daher offenbar zu vermeiden. Im Bundestag war die Aussprache am 21. März auf den späten Abend gelegt worden. Und trotz der kontroversen Debatte im Parlament setzte das Bundesratssekretariat das Thema zunächst auf die sogenannte Grüne Liste. Demnach hätte das Abkommen die Länderkammer ohne Abstimmung passiert - hätten oppositionell regierte Landesregierungen kein Veto eingelegt.

45 Menschenrechtsgruppen und Sozialorganisationen haben die Ländervertreter in den vergangenen Tagen wiederholt aufgefordert, das Abkommen abzulehnen. Das Freihandelsabkommen stelle die wirtschaftlichen Interessen der EU vor den Schutz von Menschenrechten, heißt es in einem offenen Brief, der von Dutzenden Organisationen unterzeichnet wurde, darunter terre de hommes, Attac und das Aktionsbündnis gegen AIDS. Die Unterzeichner sind davon überzeugt, dass die radikale Liberalisierung im Handel, beim geistigen Eigentum und im Finanzsektor die schwächeren Partnerstaaten in Südamerika schädigen. Zudem seien die Regeln zum Schutz von Menschenrechten zu schwach. Dies könnte vor allem in Kolumbien verheerende Folgen haben. Das Land weist schon heute bis zu vier Millionen Binnenflüchtlinge auf, mehr hat nur der Sudan.

Nach der breiten Ablehnung der Opposition im Bundestag waren die NGO-Vertreter daher zunächst guter Dinge. Als sich unlängst aber der beratende Wirtschaftsausschuss des Bundesrats mit zwölf Stimmen für das Abkommen aussprach, regte sich erneut Widerstand. Alleine Brandenburg, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein hatten sich enthalten, Rheinland-Pfalz dagegen gestimmt. "SPD und Grüne wollen das Freihandelsabkommen offenbar doch passieren lassen", hieß es daraufhin in dem Protestschreiben der NGOs, von denen viele seit Jahren in Peru und Kolumbien arbeiten.

Bis zum Donnerstagabend liefen Gespräche mit der SPD-Regierung in Hamburg. Die Führung der Hansestadt unter dem Sozialdemokraten Olaf Scholz will dem Freihandelsabkommen offenbar zustimmen, weil der Hamburger Hafen von erhöhten Handelsströmen profitieren würde. Das Votum aus dem Norden wäre nötig, um die Ratifizierung zu stoppen. Spräche sich die deutsche Länderkammer gegen den Kontrakt aus, wäre das Verfahren auf EU-Ebene auf Eis gelegt. Nichtregierungsorganisationen hoffen auf einen solchen Ausgang, weil dann die sensiblen Menschenrechtsklauseln neu verhandelt werden könnten.