Böhmermann: Gummimasken erlaubt, Ziegendingens verboten

In Hamburg darf man verlieren

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Mit einer einstweiligen Verfügung hat das Landgericht Hamburg - nicht ganz unerwartet - die Teile des Böhmerman-Gedichts verboten, die einen Sexualbezug aufweisen. Erlaubt ist jedoch:

"Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdogan der Präsident"
"Er ist der Mann der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt".

Weshalb der Satz mit Mädchen schlagen und den Gummimasken erlaubt wurde, ist eine gute Frage. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass sich das Landgericht Hamburg nur einen Steinwurf entfernt von der Reeperbahn befindet ...

Wie die Sache ausgehen wird, ist ungewiss. Viele Hamburger Urteile wurde in Karlsruhe deshalb aufgehoben, weil die Hanseaten bei der Auslegung von Äußerungen den Kontext nicht hinreichend würdigen (Hamburg hört in Karlsruhe auf). So hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 09.03.2010, Aktenzeichen: 1 BvR 1891/05, den Hamburgern ins bürgerliche Stammgesetzbuch geschrieben:

Entgegen seiner Auffassung [die des Senats des Hanseatischen OLG] sind auch die von ihm als Tatsachenbehauptungen eingestuften Äußerungsteile dem Schutz des Art. 5 GG zu unterstellen, weil es sich bei Berücksichtigung des Gesamtkontextes um Äußerungen handelt, die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden.

(...) So dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem - zu würdigenden - Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird.

(...) Die Beurteilung eines Vorgangs anhand rechtlicher oder sittlicher Maßstäbe wird nicht anders als die Äußerung von Rechtsmeinungen grundsätzlich als eine ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Äußernden angesehen. Dies gilt in der Regel selbst für Fallgestaltungen, in denen ein Vorgang als strafrechtlich relevanter Tatbestand eingestuft wird.

(...) An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde.