Braunkohle: Der reale Irrsinn

Behörde fordert wegen Denkmalschutz den Abbau einer Solaranlage an einem Haus, das in wenigen Jahren einem Braunkohletagebau weichen soll

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Nicht alle mögen Solaranlagen. Mitunter stört sich zum Beispiel die zuständige Denkmalbehörde an den dunklen Panelen auf Hausdächern. So zum Beispiel der Kreis Spree Neiße. Im lausitzischen Dörfchen Atterwasch (sorbisch Wótšowaš) ist eine solche Anlage auf dem dortigen Pfarrhaus angebracht und soll bis zum 31. Mai verschwinden. Das Gesamtbild aus Pfarrhaus und Kirche würde verunstaltet werden, begründete ein Sprecher der Behörde gegenüber dem NDR die Verfügung.

Die Kirchengemeinde war da offensichtlich anderer Ansicht, aber Diskussion mit den betroffenen Bürgern haben Behörden ja für gewöhnlich nicht nötig. Man verfügt eben und beruft sich auf seine Paragrafen, den Ermessensspielraum je nach Gusto mal eng und mal sehr weit auslegend.

So weit der normale bürokratische Betrieb. Das besondere an dem Fall Atterwasch ist allerdings, dass der Ort schon in zehn Jahren von der Landkarte verschwunden sein könnte. Dann soll das knapp 800 Jahre alte Dorf "zurückgebaut" werden, wie es beschönigend beim Kreis heißt. Auf Deutsch: Die Bewohner werden zum Umzug gezwungen, ihre 600 Jahre alte, denkmalgeschützte Kirche gesprengt, die Wohnhäuser von Planierraupen eingerissen. Der Ort soll gemeinsam mit zwei Nachbardörfern dem Braunkohletagebau Jänschwalde-Nord weichen. 900 Menschen sind betroffen.

In einem offenen Brief an den brandenburgischen Ministerpräsidenten protestiert der Gemeindekirchenrat der evangelischen Kirchengemeinde Region Guben gegen den erzwungenen Abriss der Solaranlage und hebt aber vor allem auf die Braunkohlepolitik ab, gegen die man ein Zeichen habe setzen wollen:

Nach der Auskohlung, etwa Mitte diesen Jahrhunderts, werden aus dem Tagebaufeld Jänschwalde-Nord rund 200 Millionen Tonnen Rohbraunkohle gefördert worden sein, von denen rund zwei Drittel in einem thermischen Braunkohlekraftwerk mit systembedingt niedrigem Wirkungsgrad nutzlos verbrannt werden, um aus dem übrigen Drittel Strom zu erzeugen, für den, mit Blick auf das überbordende Stromangebot im deutschen/europäischen Energienetz, schon heute keinerlei Bedarf besteht und unter dem fortschreitenden Ausbau erneuerbarer Energieträger künftig nicht bestehen wird. Dem gegenüber steht die Verschmutzung der Atmosphäre mit rund 200 Millionen Tonnen Kohlendioxid, die allein aus der Nutzung des Tagebaufeldes Jänschwalde-Nord entstehen werden.
Kirchgemeinde Region Guben

Die Autoren verweisen darauf, dass die Ausweitung des Tagebaus stets mit dem Bau eines neuen Kraftwerks begründet worden war, dieses aber bisher nicht in Sicht ist. Nicht einmal einen Antrag gebe es. Sollte es jetzt noch gebaut werden, müsste es weit über die Mitte des Jahrhunderts hinaus betrieben werden, damit sich die Investitionen noch amortisieren.

Statt weiter auf Braunkohle zu setzen, solle das Land massiv die sogenannte Power-to-Gas-Technik fördern. Mit dieser kann Methan und Wasserstoff synthetisiert und in das bestehende Erdgasnetz eingespeist werden. Auf diese Weise könnte künftig überschüssiger Strom aus Solar- und Windkraftanlagen auf indirektem Weg gespeichert werden. Gaskraftwerke könnten das Gas bei Bedarf in Strom und Wärme umwandeln. Auf diesem Weg geht allerdings rund die Hälfte der Energie ungenutzt verloren. Das ist deutlich mehr als in einem Pumpspeicherkraftwerk, aber nicht so viel wie im Falle der Braunkohle.