Britische Regierung will einen Mindestpreis für Alkohol einführen

Eine Alkoholeinheit soll nicht unter 0,56 Euro verkauft werden dürfen, ein Getränkeverband sieht darin einen Angriff auf die Mitteklasse

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Die britische Regierung ist besorgt um die Gesundheit und Leistungskraft der Bürger. Während der New Yorker Bürgermeister den Verkauf von zuckerhaltigen Getränken in Flaschen oder Trinkgefäßen ab einer Größe von 450 ml in Restaurants, Imbissbuden etc. verboten hat, um die Menschen vor Fettleibigkeit zu schützen, will die britische Innenministerin Theresa May gegen den Alkoholkonsum vorgehen und für die Vorschläge im Rahmen der "Alkoholstrategie" gestern ein zehnwöchiges Anhörungsverfahren gestartet. Regierungschef David Cameron hatte diesen als "nationales Problem" tituliert und den Vorschlag kurz nach den Unruhen im Sommer des letzten Jahres aufgebracht.

Um Alkoholmissbrauch und alkoholbedingte Kriminalität sowie "antisoziales Verhalten" vor allem unter Jugendlichen zu senken, soll ein Mindestpreis von 45 Cent (0, 56 Euro) pro Einheit eingeführt werden. Schottland ist allerdings schon vorausgeprescht, dort wird darf eine Alkoholeinheit ab April 2013 nicht unter 50 Cent verkauft werden. Als eine Einheit gelten 8-9 Gramm reinen Alkohols. Eine halbe Bier oder ein Viertel Wein entsprechen ungefähr 2 Einheiten.

Damit würden zwar die jährlichen Ausgaben von 42 Milliarden Pfund in England und Wales gerade einmal um 3,3 Prozent reduziert, aber so könne man, meint die Regierung, jährlich 714 alkoholbedingte Todesfälle, 5.240 Straftaten und 24.600 Krankenhauseinlieferungen verhindern. Überdies sollen Sonderangebote in Supermärkten - aber nicht in Pubs, Clubs oder Restaurants - unterbunden werden, die den Alkoholkonsum steigern, indem mehrere Flaschen billiger nach der Art "buy one, get one free" als Einzelflaschen verkauft werden. Das habe, so die Innenministerin, den Alkoholkonsum in den letzten Jahren um bis zu 25 Prozent gesteigert. Vor allem Jugendliche würden sich mit dem billigen Alkohol vorglühen, zudem soll das Binge-Drinking damit gesenkt werden. Freitag- und Samstagabende seien "No-go-Areas" geworden, meinte May. Fast die Hälfte der Gewalttaten würden in Zusammenhang mit Alkohol stehen, ein großer Teil des antosizialen Verhaltens sei alkoholbedingt.

Irgendwie scheint sich die britische Regierung nicht getraut zu haben dem Vorbild Schottlands zu folgen und blieb unter der symbolischen Marke von 50 Cent. Immerhin würde, wie der Guardian vorgerechnet hat, der Preis doch merklich steigen. Ein Viererpaket Tesco-Bier beispielsweise von 2,39 auf 3,60 Pfund, eine Flasche Wodka würde 3 Pfund mehr kosten, eine Flasche Chardonnay müsste statt für 3,19 dann für 4,23 Pfund verkauft werden.

Ob die Einführung eines Mindestpreises aber mit den Marktgesetzen der EU konform gehen würde, bleibt sowieso abzuwarten. Kritik an dem Vorschlag, der von der Regierung ausdrücklich nicht gegen vernünftige Trinker oder verantwortliche Geschäfte oder Kneipen gerichtet sei, wurde natürlich auch laut. Da ist mal wieder die Rede, dass dies der Industrie schaden und Arbeitsplätze kosten werde. Anderen ist der Mindestpreis zu niedrig, ein Mindestpreis von 50 Cent würde den Alkoholkonsum schon um mehr als 6 Prozent senken.

Miles Beale, Vorstand der Wines and Spirits Trade Association, erklärte gar, die Regierung führe einen Angriff auf die Mittelklasse durch, deren Mitglieder würden gerne zwei für drei Flaschen oder andere solche Angebote zugreifen, was aber nichts damit zu tun haben, dass es unverantwortliche Trinker seien. Sie würden ja nicht notwendigerweise gleich alle drei Flaschen trinken, sondern sie müssten halt später einfach keine dritte Flasche mehr kaufen. So aber würde "das normale Konsumverhalten" der Mittelklasse "vollständig bestraft". Die Argumentation war erwartbar, um die erfolgreiche Verkaufsstrategie zu schützen und den Mindestpreis abzuwehren. Angeblich würde dieser die Preise für Alkohol um durchschnittlich 52 Prozent erhöhen.