Bürgermeistersessel von Parma erobert

In Italien etabliert sich die Beppe-Grillo-Bewegung bei den Kommunalwahlen als ernsthafte Konkurrenz zu den Blockparteien

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Stéphane Hessel, der ehemalige UN-Menschenrechtskommissionssekretär und Verfasser des Bestsellers Indignez vous!, forderte im letzten Jahr neue politische Parteien in Europa - denn bei den bestehenden muss man sich seiner Ansicht nach "Sorgen machen, wie [sie] funktionieren" und sich fragen, ob sie "wirklich demokratisch" sind, oder ob sie sich "auch unter dem Einfluss von Finanzmächten" so verändert haben, "dass sie eben nicht mehr so stark zugreifen, wie wir es uns wünschen".

Tatsächlich konnten solche neuen Parteien in mehreren europäischen Ländern Erfolge feiern: In Deutschland gelangte die Piratenpartei in mehrere Länderparlamente, in Polen wurde die Ruch Palikota bei den Parlamentswahlen auf Anhieb drittstärkste Kraft und in der isländischen Hauptstadt Reykjavik, wo fast 40 Prozent der Bevölkerung des Landes leben, wählte man den Komiker Jón Gnarr zum Bürgermeister und bescherte seiner Besti Flokkurinn eine relative Mehrheit.

Nun reiht sich auch Italien in die Liste der Länder ein, in denen ein größerer Umbau des Parteiensystems bevorstehen könnte. Darauf deutet zumindest der Erfolg der "Movimento 5 Stelle" (M5S) bei den gestern beendeten Kommunalwahlen hin. Die Bewegung wurde vom Blogger Beppe Grillo ins Leben gerufen, der seit geraumer Zeit gegen Korruption und für die Abschaffung des Berufspolitikertums kämpft. Darüber hinaus ist er gegen die Privatisierung öffentlicher Güter und für ein Staatsbürger-Grundeinkommen.

Die demokratisch fragwürdige Einsetzung des ehemaligen EU-Kommissars Mario Monti als Regierungschef und seine Duldung durch die beiden politischen Blöcke motivierte offenbar viele Italienern dazu, sich außerhalb der traditionellen Lagerparteien umzusehen und ihr Kreuz dort zu machen. Im Nahrungsindustriezentrum Parma taten das so viele, dass der M5S-Kandidat Federico Pizzarotti neuer Bürgermeister der Großstadt wird. Er setzte sich in einer Stichwahl mit 60,1 zu 39,9 Prozent gegen Vincenzo Bernazzoli von der Demokratischen Partei durch, der mit Begünstigungsvorwürfen zu kämpfen hatte.

Auch in drei weiteren kleineren Kommunen stellen M5S-Bewerber nun den Bürgermeister. Im ersten Wahlgang, der am 6. und 7. Mai stattfand, hatte die Bewegung vor allem in nord- und mittelitalienischen Städten und Gemeinden fast durchwegs zweistellige Ergebnisse erzielt – darunter auch in Genua. Nun will Grillo seinen Siegeszug bei den nächsten Parlamentswahlen fortsetzen und bemüht dazu Vergleiche, mit denen er in Deutschland wahrscheinlich weniger erfolgreich wäre: "Nach Stalingrad", so verkündete er seinen Anhängern, müsse man sich jetzt auf den "Weg nach Berlin" machen.