Bundesgerichtshof stärkt Patientenverfügung

Bundesjustizministerium zum Urteil: Niemand macht sich strafbar, der dem Willen des Patienten, auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten, Beachtung schenkt

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Der Bundesgerichtshof hat mit seinem heutigen Urteil die rechtliche Stellung von Patientenverfügungen und damit das Selbstbestimmungsrecht von Patienten gestärkt.

Dem Urteil lag ein Fall zugrunde, wo eine Tochter die künstliche Ernährung ihrer Mutter beendete. Dies tat sie gegen den Willen des Pflegeheims, letztlich aufgrund der Patientenverfügung ihrer Mutter. Zunächst hatte das Pflegeheim zwar eingewilligt, dass die Ernährung, wie Pflegetätigkeiten im engeren Sinn Sache der Angehörigen wäre, dem hatte die Geschäftsleitung des Heims jedoch später widersprochen und auf Fortsetzung der künstlichen Ernährung gedrängt. Die Tochter folgte dem Rat des auf solche Fälle spezialisierten Anwalts und durchtrennte "den Schlauch der PEG-Sonde unmittelbar über der Bauchdecke".

Das Landgericht in Fulda hatte den beratenden Rechtswanwalt wegen versuchten Totschlags zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt. Da sich die Tochter durch diesen Rat in einem "Erlaubnisirrtum" befunden habe, war sie in den Augen des Landgerichts ohne Schuld und wurde freigesprochen.

Freigesprochen wurde durch das heutige Urteil nun auch der Rechtsberater, der damit nach Einschätzung des Bundesgerichtshof mit seiner Empfehlung richtig lag. Die Patientenverfügung (siehe dazu §1901 a und §1904 BGB) rechtfertigt nach Auffassung des Gerichts "nicht nur den Behandlungsabbruch durch bloßes Unterlassen weiterer Ernährung", sondern auch "ein aktives Tun, das der Beendigung oder Verhinderung einer von ihr nicht oder nicht mehr gewollten Behandlung diente".

Das Gericht betonte in seiner Begründung, weshalb es auch das Schlauchabschneiden als passive Sterbehilfe wertete:

"Eine nur an den Äußerlichkeiten von Tun oder Unterlassen orientierte Unterscheidung der straflosen Sterbehilfe vom strafbaren Töten des Patienten wird dem sachlichen Unterschied zwischen der auf eine Lebensbeendigung gerichteten Tötung und Verhaltensweisen nicht gerecht, die dem krankheitsbedingten Sterbenlassen mit Einwilligung des Betroffenen seinen Lauf lassen."

Die heutige Entscheidung schaffe "Rechtssicherheit" bei einer grundlegenden Frage im Spannungsfeld zwischen zulässiger passiver und verbotener aktiver Sterbehilfe, hob Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger in einer ersten Reaktion hervor. Das Urteil räume dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen in grundsätzlichen Fragen einen hohen Stellenwert ein. Es gebe keine Zwangsbehandlung gegen den Willen des Menschen:

"Niemand macht sich strafbar, der dem explizit geäußerten oder dem klar festgestellten mutmaßlichen Willen des Patienten, auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten, Beachtung schenkt."