China: Ein bisschen mehr Freizügigkeit

Zuzug in kleine Städte wird deutlich leichter. Ein Teil der langansässigen Zuwanderer sollen überall volle Rechte bekommen

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Die chinesische Regierung hat die Bedingungen für Landbewohner verbessert, die in die Städte ziehen wollen. Städten unter drei Millionen Einwohnern ist es künftig nicht mehr erlaubt, den Zuzug mittels eines Punktesystems zu beschränken, wie das Internetmagazin Asia Times Online unter Berufung auf die Webseite der Regierung schreibt.

Das ist insofern bemerkenswert, als es in China keine formelle Freizügigkeit gibt. Nach dem Haushaltsregistrierungssystem (Hukou) ist jeder Einwohner einem Wohnort zugeordnet, meist seinem Geburtsort. Damit soll das unkontrollierte Wachstum der Städte und vor allem die Bildung von Slums vermieden werden.

In der Praxis führt dieses System aber dazu, dass viele Arbeiter aus den ländlichen Regionen zwar in den Städten arbeiten und leben, aber von vielen Sozialleistungen ausgeschlossen sind. Mitunter können ihre Kinder nicht einmal die öffentlichen Schulen besuchen.

Nach Angaben der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua leben inzwischen 56,1 Prozent der Chinesen in Städten, aber nur 39,9 Prozent sind als Stadtbewohner registriert. Somit gilt nicht ganz ein Drittel der tatsächlichen städtischen Bevölkerung an ihrem Wohnort als Bürger zweiter Klasse.

Der Plan sei, die Hukou-Bestimmungen für Studenten vom Land und für seit langem ansässige Zuwanderer zu erleichtern. Bis 2020 soll der Anteil der offiziell registrierten Stadtbewohner an der chinesischen Bevölkerung von jetzt 39,9 auf 45 Prozent angehoben werden. Gleichzeitig wurde, wie die Nachrichtenagentur berichtet, angekündigt, in den Megapolen wie Beijing (Peking) Maßnahmen zur Bekämpfung des unbegrenzten Wachstums zu ergreifen.

Wie im ganz normalen Kapitalismus richten sich diese oft gegen die Ärmsten. Der Christian Science Monitor berichtet, dass seit Beginn des Jahres im weiteren Stadtkern Beijings - innerhalb des vierten Autobahnrings - tausende Straßenhändler vertrieben worden seien. Besitzern kleiner Läden in vor allem von Migranten bevölkerten Stadtteilen würde das Leben mit Schikanen schwer gemacht.

Nach einem Bericht der in Hongkong erscheinenden South China Morning Post leben in Beijing acht Millionen Zuwanderer und 14 Millionen registrierte Stadtbürger. Die Migranten verfügen meist über eine temporäre Aufenthaltserlaubnis und hätten nun die Möglichkeit, ihren Status zu verbessern. In der Praxis erweise sich das aber oft als schwierig, denn die Anforderungen seien kompliziert. Viele Anträge seien in den letzten Tagen abgewiesen worden.

Unterm Strich bleibt: Das Hukou-System wird etwas gelockert, die Urbanisierung gefördert, gleichzeitig werden die Zügel aber nicht völlig fallen gelassen und die Entwicklung weiter kanalisiert. Zu leiden haben vor allem die Arbeiter und Habe-Nichtse, denn wer genug Geld hat, kann sich seine Registrierung kaufen.

Das Motiv für diesen kontrollierenden Ansatz ist zum einen eine grundsätzliche Einstellung der chinesischen Staats- und Parteiführung, die nach den vielen Kriegen, Bürgerkriegen und anderen Erschütterungen wie der Kulturrevolution oder dem "Großen Sprung nach Vorn" des letzten Jahrhunderts schrittweise Veränderungen immer drastischen Einschnitten vorzieht. Zum anderen geht es aber auch ganz profan um die Widerstände der örtlichen Behörden, denn mehr registrierte Bürger bedeuten mehr Ausgaben für Bildung und Soziales.