Chinas Kopfschmerzen

Nordkoreas Kamikaze-Politik bringt seinen einzigen Verbündeten in Schwierigkeiten

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Der stellvertretende Chef des chinesischen Generalstabs, Ma Xiaotian, hat alle Beteiligten im Streit um Nordkoreas nukleare Aufrüstung dazu aufgerufen, einen kühlen Kopf zu bewahren und die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. "Chinas Position in dieser Frage ist konsistent", so Ma in Singapur auf dem Asiatischen Sicherheitsgipfel. "Wir sind gegen die Weiterverbreitung nuklearer Rüstung", sagte er einem Bericht der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge. ("We are opposed to nuclear proliferation.") In der für gewöhnlich sehr zurückhaltenden Sprache der chinesischen Diplomatie ist das eine ziemlich deutliche Distanzierung vom Verbündeten.

Unterdessen spielt Nordkoreas aggressive Politik in Japan jenen Kräften in der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) in die Hände, denen die anitimilitaristischen Bestimmungen ihrer "Friedensverfassung" seit langem ein Dorn im Auge sind. In der LDP, die das Land mit einer kurzen Unterbrechung seit den 1950er Jahren regiert, wird derzeit über ein militärisches Grundsatzpapier diskutiert, das unter anderem den Aufbau von Angriffskapazitäten – oder die Fähigkeit zum vorbeugenden Schlag, wie derlei heutigen Tags orwellesk genannt wird – vorschlägt.

Diese Entwicklung kann eben so wenig im Interesse Chinas sein, wie etwaige militärische Aktivitäten der USA vor seiner Haustür. Man darf also gespannt sein, wie die "geeigneten Maßnahmen" aussehen werden, die Beijing ergreift, um seinen Verbündeten zur Raison zu bringen. Einfach wird letzteres sicherlich nicht sein, denn Pjönjang ist zwar im hohen Maße von den Lieferungen aus der Volksrepublik abhängig, hat aber – offensichtlich keinesfalls zufrieden mit dieser Lage – in den letzten Jahren kaum etwas unversucht gelassen, den großen Bruder zu provozieren. Weisungen, so viel ist klar, nimmt man in Pjöngjang aus Beijing nicht entgegen. Und Drohungen bewirken in einer solchen Konstellation oftmals das Gegenteil des Intendierten.

Verkompliziert wird die Lage zusätzlich dadurch, dass China inzwischen mit dem einstigen Gegner enge ökonomische und auch kulturelle Bande geknüpft hat, die weit umfangreicher sind, als die Beziehungen zum Norden. Südkoreanische Unternehmen gehören zu den wichtigsten ausländischen Investoren in der Volksrepublik, aber inzwischen beginnen sich die Abhängigkeitsverhältnisse langsam in ihr Gegenteil zu verkehren. China ist mittlerweile der mit Abstand wichtigste Abnehmer südkoreanischer Produkte, holt aber zugleich an technologischem Rückstand immer mehr auf, sodass es sich auch zu einem Konkurrenten entwickelt.