Das Zinsdilemma

Chinas Wirtschaft läuft schon wieder heiß, aber die Zentralbank kann die Zinsen nicht beliebig erhöhen, solange die Fed und die Europäische Zentralbank für billiges Geld sorgen

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Wirtschaftsplaner in China, das ist derzeit ein Job für Leute, die es gerne möglichst aufregend haben und knifflige Aufgaben mit einer großen Prise Risiko lieben: Während in den Industriestaaten allenthalben die Wirtschaft weiter lahmt, droht in der Volksrepublik schon wieder eine Überhitzung der Wirtschaft. Um 202 Milliarden US-Dollar (rund 150 Milliarden Euro) ist allein im Januar die Kreditsumme gewachsen, also der Betrag, den chinesische Banken ausgeliehen haben, schreibt Doug Noland in einem Beitrag für das in Bangkok herausgegebene Internetmagazin Asia Times Online. Das hört sich mächtig nach Inflationsgefahr an, und entsprechend versucht die Zentralbank gegenzusteuern, indem sie schon zum zweiten Mal in Folge die Mindestanforderung an die Rücklagen der Banken erhöht hat.

Dennoch liegen die Kreditzinsen weiter deutlich unter dem Niveau der Preissteigerung bei Immobilien, die im Januar knapp zehn Prozent betrug. Damit ist es immer noch ein verlockendes Geschäft, Immobilien auf Kredit zu kaufen, in der Hoffnung, sie in einigen Jahren mit Gewinn veräußern zu können. Die chinesische Immobilienblase, vor der seit einiger Zeit mal wieder gewarnt wurde, bläht sich also weiter auf. Allerdings wächst auch die Nachfrage sehr schnell, da das Einkommen der städtischen Bevölkerung rasch zunimmt.

Dennoch ist eine Abkühlung notwendig und eigentlich müssten die Kreditzinsen angehoben werden, um das Wachstum der Geldmenge etwas zu bremsen. Restriktionen bei der Kreditvergabe bremsen gewöhnlich das Wirtschaftswachstum, und genau das bräuchte die Volksrepublik im Augenblick. Geht es nämlich zu schnell aufwärts, droht Überproduktion, weil Unternehmer den künftigen Bedarf überschätzen.

Doch Zinserhöhungen würden noch mehr "heißes Geld" anziehen. Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus in den USA und in Europa gibt es nämlich derzeit viel billiges Geld. Finanzjongleure können die Zinsdifferenz ausnutzen, um mit geliehenem Geld Gewinn zu machen. Anlagen in China sind darüber hinaus interessant, weil auf eine Aufwertung der dortigen Währung spekuliert werden kann. Die chinesische Führung versucht zwar, derartige spekulativen Kapitalströme einzudämmen, hat darin aber offensichtlich nur begrenzten Erfolg. 1997/98 waren ähnliche Kapitalbewegungen im Zusammenhang mit zu freizügigen Finanzmärkten und diversen internen ökonomischen Problemen den Staaten Südostasiens zum Verhängnis geworden und hatten eine schwere Wirtschaftskrise ausgelöst.