Das tödliche Kunstwerk

Der Medizinstudent plante nicht nur den Anschlag aufs Kino, sondern verwandelte auch seine Wohnung in eine Sprengfalle

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Noch sind die Gründe nicht bekannt, die den offenbar erfolgreichen und intelligenten Medizinstudenten, der sich für die Hirnforschung interessierte und in Neurowissenschaften promovieren wollte, dazu trieben, nicht nur ein Massaker in einem Kino zu veranstalten, sondern auch seine Wohnung zu einer Bombe zu verwandeln, um noch mehr Opfer zu produzieren. Der karrieremäßig eigentlich hoffnungsvolle junge Mann, der allerdings zuletzt Probleme mit seinem Studium hatte, scheint aber einsam und isoliert gelebt zu haben. Gefunden wurde eine kürzlich aufgegebene Kontaktanzeige im Internet, die von ihm stammen könnte. Seine sexuelle Orientierung: straight, er sucht nach "Women, Couples (man and woman), Groups or Couples (2 women) for Erotic Chat or Email, Discreet Relationship, 1-on-1 sex or Group sex (3 or more!)." Oder nach bindungslosem Sex.

Der 24-jährige James Eagan Holmes, der, ausgerüstet als Böser, seine offenbar gut vorbereitete surrealistische Tat in einem Kino in Aurora kurz nach dem Start des neuen Batman-Films ähnlich ausführte wie andere Amokläufer vor ihm, hat auf jeden Fall erreicht, was er zumindest auch wollte: weltweite Aufmerksamkeit und der Eintrag ins Terror-Guinnessbuch. Das größte Massaker in den USA seit dem Amoklauf in Fort Hood (2009) mit 13 Toten, erstmals ein Kino als Bühne.

Und dann in seiner 74 Quadratmeter großen Wohnung ein Kunstwerk aus Stolperdrähten und Feuerwerk, das unschädlich zu machen der Polizei viel Zeit und Mühen kostete. Es sei "extrem gefährlich" gewesen, so die Polizei. Bei seiner Festnahme hatte Holmes dies jedoch der Polizei erzählt. Warum auch immer. Um überhaupt durch die absichtlich nicht abgeschlossene Tür zu kommen - Holmes hatte perfiderweise eine Falle gebaut, indem er laut ein Musikstück durch eine Zeitschaltung in seiner Abwesenheit immer wieder abspielen ließ, um so Menschen in seine Wohnung zu locken -, musste erst einmal ein Stolperdraht entfernt werden. Es gab weitere Stolperdrähte, die mit Flaschen verbunden waren, gefüllt mit Benzin und Oxidationsmitteln. Zudem Ballone, die mit Pulver gefüllt waren, auf dem Boden und in der Luft, einige miteinander verbunden. Zudem gab es Feuerwerk, irgendwie scheint der Student viel Energie in die Planung und Ausführung seines Werks gesetzt zu haben. Das Kunstwerk, seine Wohnung in die Luft sprengen zu lassen, ist ihm jedoch nicht gelungen.

Wie die Polizei wirklich vorging, bleibt noch ein Geheimnis. Sie zündete offenbar kontrolliert einige Sprengsätze, sprengte auch ein Fenster offen und schickte einen Roboter in die Wohnung. Vielleicht hatte Holmes eine gewaltige Explosion geplant, indem eine Zündung eine andere auslösen sollte. Holmes macht aber wieder einmal deutlich, wie gefährlich es ist, so leicht wie in den USA an Waffen zu kommen. Beginnend vier Monate vor dem Anschlag kaufte er sich vier Schusswaffen und 6000 Schuss - ganz legal und ohne Probleme. Jeder kann also ein Waffenlager einrichten, obgleich in den USA bekannt ist, dass hier die meisten Morde durch Schusswaffen verursacht werden. Der New Yorker Bürgermeister Bloomberg forderte die Präsidentschaftskandidaten zwar dazu auf, zum Thema eines strikteren Waffengesetzes Stellung zu nehmen. Doch die verweigern sich, die Waffennarren in den USA sind zu stark. Die perverse Logik ist meist die, dass dann, wenn die Kinobesucher auch aufgerüstet gewesen wären, das Massaker nicht passiert wäre.