Defizitsünder in den Knast?

Die spanische Regierung sieht strafrechtliche Konsequenzen vor, wenn gegen Defizitziele verstoßen wird

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Nun hat die neue konservative Regierung in Spanien einen eigentümlichen Vorschlag in den Raum geworfen. Finanzminister Cristóbal Montoro drohte Politikern "strafrechtliche Konsequenzen" an, wenn sie sich nicht an Sparziele halten und mehr als geplant Geld ausgeben. Er kündigte ein "Gesetz zur Regierungstransparenz" an, mit dem die Verwaltung gezwungen werden soll, "nicht mehr auszugeben, als Defizitgrenze im Haushalt vorgibt". Werde sie überschritten, bedeute das eine "Fälschung der Buchhaltung".

Damit zeigte er an, in welche Richtung die strafrechtliche Verfolgung gehen könnte. Es dürfe keine unbezahlten "Rechnungen mehr in den Schubladen" geben, sagte Montoro. Der Finanzminister weiß, dass sich in vielen Städte und Regionen zahllose unbezahlte Rechnungen stapeln, weshalb das reale Defizit der öffentlichen Hand deutlich höher ist, als offiziell angegeben wird. Es müsse damit aufgehört werden, dass "unbezahlbare Schulden" in den Städten und Regionen angehäuft werden.

Montoro weiß wovon er spricht. Seine Warnung richtet sich vor allem an die Parteifreunde seiner Volkspartei (PP). Denn in den 11 der 15 sogenannten "Autonomen Gemeinschaften", die den deutschen Bundesländern ähnlich sind, regiert die PP. In drei weiteren Regionen regiert sie mit oder stützt die Regionalregierung regelmäßig. So hilft sie derzeit den konservativen Nationalisten der CiU in Katalonien, den Haushalt durchs Regionalparlament in Barcelona zu bringen. Die unterfinanzierte, aber wirtschaftlich bedeutsame Region weist nominal mit 38,5 Milliarden Euro die höchste Verschuldung auf.

Montoro musste erst kürzlich einräumen, dass es die Regionen waren, die 2011 massiv gegen die Sparvorgaben aus Madrid verstoßen haben. Sie haben es den am 20. November 2011 abgewählten Sozialisten (PSOE) verhagelt, ihr Defizitversprechen gegenüber der EU einhalten zu können. Das Haushaltsdefizit des Landes dürfte deshalb 2011 statt 6 Prozent sogar 8,2 Prozent betragen, wobei die Zentralregierung ihr Defizitziel von 4,6 Prozent mit real 4,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nur knapp verpasst haben dürfte.

Die seit vielen Jahren von der PP regierten Regionen wie Valencia, Murcia und Madrid stehen neben Katalonien besonders schlecht da. Valencia ist bereits pleite. Setzt man die dortige Verschuldung von 21 Milliarden Euro ins Verhältnis zur Einwohnerzahl, ist sie deutlich höher als im benachbarten Katalonien. Zudem ist die Wirtschaftsleistung Valencias pro Kopf geringer. Aus diesen Gründen stechen auchdie traditionell von der PP regierten Regionen Galicien und Balearen hervor. Zu den starken Sündern gehört auch Kastilien La Mancha, das die Konservativen im erst vergangenen Mai übernommen haben. Noch vor wenigen Monaten hätte die PP empört aufgeschrien, wenn die PSOE es gewagt hätte, die PP-Regionalfürsten auch wegen des ausufernden Defizits vor Gericht zu zerren. Ohnehin müssen sich derzeit schon die beiden Ex-Ministerpräsidenten der Balearen und Valencia schon wegen Korruption und anderer Delikte vor Gericht verantworten.

Real dürfte es nach Ansicht von Experten aber schwer werden, eine strafrechtliche Verfolgung wegen unbezahlter Rechnungen oder Defizitüberschreitungen zu realisieren. Die Beweisführung sei sehr schwierig und auch aus Brüssel wird diese Maßnahme nicht unterstützt. So vermutet man im Baskenland zum Beispiel, dass hier eine Waffe gegen Regionen scharf gemacht werden soll, in denen die PP traditionell keinen Stich macht, wie sich bei den Wahlen im November wieder gezeigt hat, als die PP gegen den Trend die PP im Baskenland weiter an Stimmen verloren hat.

Die Basken, die ein eigenes Steuersystem haben, befürchten, dass die PP unter dem Vorwand einer nachhaltigen Haushaltsführung auf die Autonomie neue Angriffe vorhat. Ihre Angriffe auf das Autonomiestatut und der Versuch, sogar Volksabstimmungen zu kriminellen Akten zu machen, sind noch aus der Regierungszeit von 1996 bis 2004 bekannt. Dabei hat das Baskenland mit Abstand auch das niedrigste Defizit, die niedrigste Arbeitslosenquote und pro Kopf die höchste Wirtschaftsleistung.

Madrid will den Regionen nun acht Milliarden Euro vorschießen, um die Liquidität von Pleiteregionen zu sichern. Das Geld wird natürlich an anderen Stellen fehlen. Der Finanzminister hofft, dass damit die Rechnungen "noch vor dem Sommer" bezahlt werden können, die seit vielen Monaten ausstehen. Man darf gespannt sein, ob diese Summe reicht, denn allein Valencia schuldet den Apothekern etwa eine halbe Milliarde Euro, weil seit 1. Juli keine Rechnungen für Medikamente mehr vom öffentlichen Gesundheitswesen bezahlt wurden.

Montoro erklärte, dass sich die Regionen, die nun Staatshilfe erhalten, strengen Sparprogrammen unterziehen müssen. Er drohte ihnen diffus mit Sanktionen, wenn sie sich nicht daran halten, meint aber gleichzeitig, man werde keine Region abstürzen lassen. Letztlich soll wohl auch mit dieser Nebelkerze nur verdeckt werden, dass die Zentralregierung viele der von ihr regierten Regionen in ihrer unhaltbaren Finanzpraxis unterstützt und massiv ihre Einnahmen erhöht. Demnächst wird viel frisches Geld in die Kassen der defizitären Regionen und Städte gespült. Die Erhöhung der Einkommenssteuer um bis zu sieben Prozentpunkte, die Rajoy gegen alle Wahlversprechen kürzlich angekündigt hatte, kommt zur Hälfte den Regionen zugute. Die Erhöhung der Grundsteuer dagegen den Städten und Gemeinden.