Der Schusswechsel, der zum "Tod eines Unbewaffneten" wird

Neue Erkenntnisse im Fall Mark Duggan, dem Auslöser-Ereignis der britischen Krawalle im August

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Zu Beginn der Riots in Großbritannien, am ersten Augustwochenende, als in Tottenham Gebäude in Flammen aufgingen und bereits aus anderen Stadteilen Großlondons von Aufruhr, wütenden Aktionen, Plünderungen und Brandstiftungen berichtet wurde, hieß es, dass Mark Duggan, des Drogenhandels und unerlaubten Waffenbesitzes verdächtig, bei einem Feuergefecht mit der Polizei starb.

Berichtet wurde von einem Polizisten, der nur mit Glück eine Kugel überlebte. Spekulationen, genährt durch erste Informationen, legten nahe, dass Duggan auf den Polizisten gefeuert hatte. Feststand, dass Mark Duggan durch einen Schuss aus einer Polizeiwaffe starb. In sämtlichen Berichten war die Rede davon, dass der Tod Duggans den ersten Funken für die später folgenden Eskalationen abgab, die über die Polizeiaktion und die Informationspolitik der Polizei aufgebrachten Demonstranten vor dem Tottenhamer Polizeirevier wurden als Auslöser der Ausschreitungen geschildert.

Später wurde die Darstellung zum Fall Duggan von der britischen Polizeiaufsichtsbehörde IPCC korrigiert. Duggan habe gar nicht geschossen, hieß es nun. Die Kugel, die einen Polizisten traf, der bei der Kontrolle Duggans zugegegen war, und glücklicherweise durch dessen Funkgerät aufgehalten wurde, stamme eindeutig aus einer Polizeiwaffe. Das Feuergefecht war nun keins mehr, die Notwehrsituation der Polizei wurde weiter damit aufrechterhalten, dass Duggan eine Waffe, eine umgebaute BBM "Bruni", bei sich hatte, also bewaffnet war.

Jetzt wird auch diese Darstellung korrigiert. Duggan war zum Zeitpunkt, als er von der Polizei erschossen wurde, unbewaffnet, wie die IPPC-Untersuchung des Falles ergab. Wie der Guardian erfahren hat, gibt es neue Details von der Polizeiaufsichtsbehörde. Und die würden "ein sehr viel komplexeres Bild" liefern als frühere Darstellungen. Mit komplex gemeint sind die Fragen, die das neue Bild in Zusammenhang mit der Notwehrsituation der Polizisten aufwirft.

Duggan wurde außerhalb des Autos erschossen. Die Waffe, der Grund, weshalb er angehalten worden war, befand sich drei bis vier Meter von seiner Leiche entfernt, auf der anderen Seite einer kleinen Einzäunung oder eines Hindernisses, wie die Zeitung berichtet.

"A gun collected by Duggan earlier in the day was recovered 10 to 14 feet away, on the other side of a low fence from his body. He was killed outside the vehicle he was travelling in, after a police marksman fired twice."

Das Wort "fence" legt nahe, dass die Waffe irgendwie außerhalb des Autos gebracht worden war. Wer das war - das geht aus den neuen Details, von der die Zeitung berichtet, nicht hervor. Unstrittig ist nur, dass Duggan Besitzer der Waffe war. Dass er sie sich zuvor besorgt hatte und sie in einer Schuhschachtel, in eine Socke gewickelt, transportierte. Auf der Schachtel befanden sich Fingerabdrücke Duggans, aber nicht auf der Waffe, auch auf der Socke wurden keine DNA-Spuren entdeckt. In Duggans Blut wurden Drogen, Spuren von Ecstasy, gefunden. Das Auto wurde von der Polizei nach den Schüssen "bewegt".

Möglicherweise, so der Guardian, müsse sich die Staatsanwaltschaft überlegen, ob sie in diesem Fall gegen die Polizisten ermitteln soll.