Deutlicher Sieg für Ahmadinedschad bei iranischen Wahlen

Nach 80 Prozent ausgezählter Stimmen führt der Amtsinhaber mit einer beinahe 2/3 Mehrheit vor dem Gegenkandidaten Mousavi; Wahlbetrugsvorwürfe werden laut und die Angst vor Ausschreitungen

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Wie schon bei der Wahl 2005 überrascht Ahmadinedschad all jene - und das ist im Westen wahrscheinlich die Mehrheit - die sich aufgrund von Medienberichten den Sieg eines Reformkandidaten erhofft hatten. Mit einer eindrucksvollen beinahe Zwei-Drittel-Mehrheit nach Auszählung von über 80 Prozent der Stimmen ist dem alten neuen Präsidenten der Wahlsieg nicht mehr zu nehmen.

Geht es nach den jüngsten Ergebnissen der iranischen Wahlkommission, wie sie heute morgen um 10 Uhr, Ortszeit Teheran, von der Nachrichtenagentur Fars News Agency veröffentlicht werden, dann führt Ahmadinedschad nach der Auszählung von 30,5 Millionen Stimmzetteln (etwa 80 Prozent) mit weit mehr als 19 Millionen Stimmen (64.77%), vor Mirhussein Mousavi, der bislang nur knapp unter 10 Millionen Stimmen (32 Prozent) erzielen konnte. Die beiden anderen Bewerber, Mohsen Rezaii und Mahdi Karrubi, kamen zusammen auf etwa 3 Prozent. Die Nachrichtenagentur Irna meldet eine Rekordwahlbeteiligung von bis zu 82 Prozent. Die vorläufigen Ergebnisse wurden vom Chef der Wahlbehörde, Kamran Daneshjoo, mitgeteilt; endgültige Resultate gibt es im Laufe des heutigen Tages.

Gestern hatte es noch eine ganze Zeit lang nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen ausgesehen. Beide Parteien erklärten sich nach einem aufgeheizten Wettkampf sehr bald schon zum Sieger. Nachdem Irna bereits kurze Zeit nach dem späten Schließen der Wahllokale erstaunlicherweise einen Erdrutschsieg von Ahmadinedschad erklärte, konterte Mousavi seinerseits mit der Erklärung, er sei der Wahlsieger - und mit Vorwürfen der Wahlmanipulation, zumal das Innenministerium, das die Wahlkommission bildet, fest in der Hand des Amtsinhabers ist.

Mousavi kritisierte nach einem Bericht der New York Times, dass es beispielsweise zu wenige Wahlzettel gab, zum anderen machte er die Regierung dafür verantwortlich, dass sie mit Sperren von Webseiten und SMS-Diensten die Kommunikation innerhalb seines politischen Lagers empfindlich beeinträchtigte. Es ist damit zu rechnen, dass Vorwürfe über Wahlmanipulationen sich in den nächsten Stunden und Tagen häufen werden. Doch selbst, wenn, wie es auch Mousavi beherzigt, der höchste Führer Ayatollah Khamenei zur Schlichtung des Streites gerufen wird, die Aussichten, dass solche Vorwürfe Konsequenzen auf das Wahlergebnis haben, sind gleich Null.

Bemerkenswert ist, dass der mächtige Strippenzieher im iranischen Hintergrund, Rafsandschani, der nach seiner Niederlage beim letzten Präsidentschaftswahlkampf gegen Ahmadinedschad scharfe Vorwürfe wegen Wahlbetrugs äußerte, vermutlich erneut Gelegenheit zu ähnlichen Vorwürfen haben wird. Man darf gespannt sein, ob es dazu kommt. Rafsandschani liefert sich seit 2005 einen Machtkampf mit Ahmadinedschad. Diesmal hat er mit seiner Unterstützung den Gegenkandidaten Mousavi stark gemacht. Große, vom Westen besonders beachtete, Unterstützung erfuhr Mousavis jedoch vor allem von der sogenannten Zivilgesellschaft, insbesondere den Frauen und der Jugend, wie das auf vielen Fotos in den letzten Tagen des Wahlkampfes dokumentiert wurde.

Die Frage ist nun, wie groß diese Unterstützerbewegung, die sich von Mousavi größere Freiheiten erwartet hatte, tatsächlich ist, und wie stark ihre Forderungen sind, und wie Ahmadinedschad darauf reagiert. Kurzfristig befürchten Beobachter nun Ausschreitungen nach dem Wahldebakel für Mousavi. Der heutige Tag wird zeigen, wie die Teheraner Behörden mit dieser Sorge umgehen. Und die Zukunft wird zeigen, ob jene Beobachter mit der Behauptung Recht haben, dass Ahmadinedschad in der zweiten Amtszeit die Repressionsschrauben noch stärker anziehen wird und auf die Befolgung der "Kleiderordnung" und anderer Vorschriften des korrekten nachrevolutionären Lebens im Iran noch rigider achten wird.

Außenpolitisch ist die Wahl Ahmadinedschads eine Enttäuschung, da er ein willkommenes Feindbild für Neocon-Politiker in Israel und den USA abgibt, die sich mit dem Hinweis auf den "bedrohlichen Hetzer" nötigen Neuerungen widersetzen und auf ihren Hardlinerpositionen festgemauert bleiben. Interessant ist neben westlichen Reaktionen auch, wie die arabische Öffentlichkeit die Wahl kommentieren wird. In arabischen Ländern mit autoritären Regimes wurden die Wahlen laut Beobachtern mit großer Anteilnahme verfolgt.