Deutschland 83 kämpft gegen schwache Quote

TV-Serie im zum Kalten Krieg floppt auf RTL - zu Unrecht

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Die ambitionierte TV-Serie Deutschland 83, die vor dem Hintergrund des fatalen NATO-Manövers Able Acher 83 die von tatsächlichen Begebenheiten zumindest inspirierte Geschichte eines ostdeutschen Geheimagenten erzählt, der den Dritten Weltkrieg abwenden will, ist bislang kein Publikumserfolg. Das von Nico Hoffmann produzierte historische Drama, das bei den öffentlichen-rechtlichen Sendern vermutlich gut aufgehoben gewesen wäre, war ausgerechnet von RTL gekauft worden, das gewöhnlich eine andere Klientel als Bildungsbürger bedient.

Die Serie war bereits im Sommer in den USA gelaufen und hatte beachtliche Kritiken erhalten. Die Auftaktfolge war in Deutschland gerade einmal bei drei Millionen Zuschauern auf Interesse gestoßen, inzwischen verlor die Serie eine Million Zuschauer. Die Produzenten suchen nunmehr über Facebook den Dialog mit dem TV-Publikum, um das Desinteresse zu verstehen. Das Desinteresse ist tatsächlich unverdient.

Die Serie bietet durchaus brauchbare Unterhaltung. Wer die 1980er Jahre erlebt hat, wird das Zeitkolorit zu schätzen wissen, etwa die Einspieler von Nachrichtensendungen über die legendäre Demo auf der Bonner Hofgartenwiese. An historischer Inspiration fehlt es nicht: Der tatsächliche Ost-Agent, der während der Able Archer-Übung an Geheimdienstchef Markus Wolf Geheimnisse lieferte, war zwar kein jugendlicher Held, aber es gab ihn wirklich. Es handelte sich um den Perspektivagent Rainer Rupp. Auf ihn spielt in der Serie die Namensgebung eines etwas schusseligen Stasi-Technikers an, was der Lebensleistung des „ständigen Vertreters des Warschauer Pakts bei der NATO“, wie es das Landgericht Düsseldorf formulierte, allerdings schwerlich gerecht wird.

Vieles am Drehbuch ist grob unglaubhaft und bisweilen sehr plakativ zugespitzt. Die zynische Vorstellung etwa, der ostdeutsche Geheimdienst würde einen unbeteiligten Bundeswehrsoldaten kaltblütig ermorden, um ihn gegen einen Doppelgänger auszutauschen, bedient Klischees, für die es keine historischen Anlässe gibt. Während der CIA das Liquidieren von Feinden bis heute als eine akzeptable Methode gilt, ist nicht bekannt, dass die DDR-Auslandsaufklärung im Westen Menschen getötet hätte. Agent Martin Rauch stolpert wie ein Forrest Gump durch die deutsche-deutsche Agentengeschichte, verführt eine vernachlässigte Sekretärin und gerät sogar in den deutschen Linksterrorismus. Auch das Anbringen von doch etwas auffälligen Wanzen erinnert mehr an Brechtsches Symboltheater als an authentische Geheimdiensttechnik. Warum man Geheimdienstchef Markus Wolf in „Fuchs“ umtaufte, bleibt das Geheimnis der Drehbuchautoren.

Der Serie hätte man durchaus mehr Budget gewünscht, nicht nur beim Drehbuch, sondern auch bei der Ausstattung. Das Able Archer-Manöver war nicht etwa ein Kammerspiel, sondern eine gigantische Übung mit einer fünfstelligen Teilnehmeranzahl und jeder Menge Kriegsgerät. Nahezu völlig fehlen die Sowjets, deren Finger am Abzug für eine atomare Vergeltung deutlich nervöser war als lange angenommen. Tatsächlich war die Situation ungleich dramatischer, als es in der Serie angedeutet wird. Die Besetzung des US-Major-Generals mit einem Schauspieler schwarzer Hautfarbe mag politisch korrekt sein, verklärt jedoch das weiße Amerika des Ronald Reagan, der sich von Rassisten wie General Lyman Louis Lemnitzer beraten ließ.

Während die Rolle President Reagans als verantwortungsloser Hardliner, der die Abrüstung beendete und mit seinem aggressiven Gebaren die Welt an den Rand des Atomkriegs brachte, nahezu ganz unter den Tisch fällt, dämonisiert die Serie einseitig die Spione des Ostens als gefühlskalte Krieger. Ein Vierteljahrhundert nach Ende des Kalten Kriegs hätte man sich eine weniger propagandahafte Darstellung gewünscht. Für eine historisch ausgewogene Bearbeitung eines Geheimdienstdramas zum Kalten Krieg hätte sich eine Anspielung auf das damalige Aufrüsten der Mudschahidin durch die CIA angeboten, die damals einen saudischen Partner namens Osama bin Laden hofierte. Auch ein von der CIA platzierter Saddam Hussein wurde 1983 noch von einem gewissen Donald Rumsfeld mit Giftgas beliefert.

Und trotzdem: Die Serie macht Spaß, die Hauptfigur wird sehr sympathisch verkörpert und es bleibt bis zum Schluss spannend. Allein schon die Musik der 1980er Jahre, die für den Pop wohl produktivste Zeit überhaupt, entschädigt für so manche Plattheit im Drehbuch.