"Die Arme nahmen schnell wieder ihre rosige Farbe an"

Weltweit erste Transplantation kompletter Arme

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Münchner Ärzten ist es in einer aufsehenerregenden Operation gelungen, einem 54-jährigen Mann zwei vollständige Arme zu transplantieren. Dem Landwirt waren bei einem Arbeitsunfall vor sechs Jahren beide Arme in Höhe eines kurzärmligen T-Shirt-Ärmels abgetrennt worden. Vor einer Woche gelang es einem 40köpfigen Operationsteam des Klinikums Rechts der Isar, in einer 15stündigen Operation die Arme eines hirntoten Spenders (nach Informationen der Ärztezeitung ein "tödlich verunglückter junger Mann") an die Oberarmstümpfe des Landwirts anzunähen und Blut-und Nervengefäße miteinander zu verbinden: die weltweite erste Transplantation kompletter Arme.

Patient vorher
Patient vorher (Bild: Klinikum rechts der Isar)

Dem Patienten gehe es "den Umständen entsprechend gut", hieß es heute in einer Pressekonferenz des Klinikums, die über die aufwändige und chwierige Operation berichtete. Der Eingriff wurde über mehrere Jahre vorbereitet, der Erfolg sei vor allem der Teamleistung zu verdanken. Die Abteilungen für plastische Chirurgie und Handchirurgie, sowie die der Transplantationschirurgie arbeiteten zusammen.

Große Probleme gibt es durch mögliche Abstoßungsreaktionen. Um so mehr als es sich bei Extremitäten um heterogene Gewebe aus verschiedenen Komponenten mit unterschiedlicher Immunogenität handelt und etwa die Hautzellen zu einer starken Immunreaktion bei Empfänger führen. Die Zellen des Knochenmarks, das im Röhrenknochen des Oberarms in großer Menge enthalten ist, können potenziell eine "Transplantat-gegen-Wirt"-Reaktion auslösen, die für den Empfänger lebensbedrohlich sein kann.

Vier Teams operierten in der Nacht vom 25. auf den 26.Juli, je ein Team an der rechten und linken Seite von Spender und Empfänger, ein fünftes Team entnahm dem Spender eine Beinvene - beim "explorativen Öffnen des Oberarmstumpfes" vor der großen OP war festgestellt worden, dass die Hauptvene an der linken Schulter des Landwirts verschlossen war und Bypässe benötigen würde. Zunächst wurden die Muskelenden, Nerven und Gefäße der Armstümpfe freigelegt. Dem Spender wurden die Arme, die mit einer gekühlten Konservierungslösung gefüllt waren, in der passgenauen Länge abgeschnitten. Zuerst wurden dann die Knochen mit einer 8-Loch-Platte aneinander gefügt, danach die Arterien und Venen, wobei zuvor die Konservierungslösung entfernt werden musste. In einem Abstand von 20 Minuten wurde der Blutfluss dann freigegeben. Es sollte sichergestellt sein, dass dem Patienten durch den Rückfluss des Blutes aus den transplantierten Armen kein akuter Schaden entsteht.

"Die Arme nahmen schnell wieder ihre rosige Farbe an", heißt es in der Pressemitteilung.

Im nächsten Schritt wurde Muskeln und Sehnen verbunden, dann die Nerven und am Ende die Haut.

Patient nachher.
Patient nachher. (Bild: Klinikum rechts der Isar)

Wie ein Vertreter der Ärzteschaft gegenüber Telepolis mitteilte, sei man "verhalten optimistisch", was die künftige Beweglichkeit betrifft, also die Oberarmfunktion, die Beweglichkeit der Ellenbogen und die der Hände. Man sei zunächst sehr zufrieden darüber, dass die Durchblutung funktioniert. Viel hängt davon ab, wie sich die Nerven regenerieren. Wenn die Nerven des Empfängers gut in den Spendernerv einwachsen, könnte man mit einer Nervenregeneration rechnen, die sich um 1 Millimeter pro Tag fortbewegt. Bei einem 70 bis 80 cm langen Arm dauere dies also bis zu 2 Jahren. Neben der motorischen Funktion, die deutlich schneller degenerieren kann, gibt es allerdings auch die sensible Funktion der Nerven, hier stünden die Chancen des Patienten nicht schlecht. Dass die Gefühlfunktion wieder neu auflebt, sei wahrscheinlich.

Die Risiken für den operierten Patienten, mit Abstoßungsreaktionen bzw. Infektionen konfrontiert zu werden, sind groß, nach 2 Jahren sollte die Gefahr etwas verringert sein. Generell gelte aber, dass hier der Lebensqualität der Vorzug vor der Lebenserwartung gegeben wurde.