Die Nazis und die schmutzige Bombe

Der finnische Autor Ilkka Remes hat mit "Das Erbe des Bösen" einen Ausnahmethriller vorgelegt.

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Ein Thriller, der die Nazi-Zeit in eine Geschichte der Gegenwart einbaut, ist noch nicht ungewöhnlich und vermutlich auch eher abschreckend, weil man dabei eher Übertreibungen und gedankliche Zumutungen erwartet. Der finnische Autor Ilka Remmes, der bislang teils abstruse, wenn auch immer spannende Fantasien über mögliche Terroranschläge und ihre Hindergründe geschrieben hat, brachte es dieses Mal mit seinem Buch Das Erbe des Bösen.sogar fertig, eine Geschichte der Gen- und Raketentechnik von der Nazizeit über den Kalten Krieg, in dem die NS-Wissenschaftler in die USA geschleust wurden, bis zur Gegenwart zu ziehen, in der Terroristen einen Anschlag mit einer schmutzigen Bombe planen, in den wiederum der US-Geheimdienst CIA auf undurchsichtige Weise verwickelt ist.

Es sind viele ineinander verschachtelte Ebenen und Zeiten, Remes hat es jedenfalls überzeugend geschafft, sie in eine stets unterhaltsame, aber trotzdem anspruchsvolle Story zu verpacken, aus der man durchaus auch etwas lernen kann, schließlich sind große Teile des Hintergrunds ebenso Tatsachen wie die aktuelle politische Lage, die geschickt eingearbeitet wird.

Gelungen ist Remmes – allemal für deutsche Leser - ein überzeugender Mix zwischen der realen Geschichte und historischen Personen, beispielsweise Wernher von Braun, die Forscher der deutschen Atombombe oder die Wissenschaftler, die sich mit Erb- und Rasseforschung beschäftigten. Entscheidend dafür, dass die Geschichte funktioniert, ist die von Remes gewählte Perspektive. Er schildert die Verstrickung eines finnischen Physikers und einer Biologin in das Nazi-System nach und nach aus den Nachforschungen des Sohnes, vor dem diese ihre Vergangenheit verborgen gehalten hatten und dem nur ihre wissenschaftlichen Karrieren in den USA bei der Nasa und bei der Genforschung bekannt waren.

Ein Ausnahmethriller mit einer faszinierenden Perspektive auf die Gegenwart auf dem Hintergrund des (nicht nur) in Deutschland entstandenen Bösen, das weiterhin wirkt. Mit über 500 Seiten dazu noch schön dick, um sich längere Zeit in die labyrinthische Geschichte stürzen zu können, die doch immer wieder hier und jetzt mündet – oder sich aus der realen Vergangenheit nicht befreien kann.