Edathys geschwätzige Parteifreunde

Kein Verlass auf Unschuldsvermutung und Datenschutz bei Politikern

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wie DIE WELT und nunmehr die TAGESSCHAU unter Berufung auf Ermittlerkreise berichten, soll sich Edathy bei einem Anbieter in Kanada sogenannte "Posing Pictures" per Kreditkarte bestellt haben. Hierbei handelt es sich um Videos, bei denen Kinder oder Jugendliche leicht oder gar nicht bekleidet posieren, ohne dass sexuelle Handlungen oder sogenanntes "wirklichkeitsnahes Geschehen" dargestellt werden. Der Besitz derartiger Aufnahmen wäre mithin straflos, da kein Fall nach § 184b StGB vorliegt. Derartige Bilder hätten allenfalls einen Anfangsverdacht zur Einleitung von Ermittlungen nach ggf. doch strafbarem Material gerechtfertigt. Das Streuen von Informationen über das Ermitlungsverfahren und den Besitz der Bilder, welche die Privat- und ggf. Intimsphäre betreffen, verletzte damit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Politikers.

Sollte sich die Darstellung der WELT bewahrheiten, würde dies die Äußerungen von Edathys Parteifreundin Christine Lambrecht noch fragwürdiger machen, als sie es ohnehin schon sind. So hatte die parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion der SPD kundgetan: "Die genannten Gründe, Verdacht auf Besitz von Kinderpornografie, sind schwerwiegend." Da Edathy zu diesem Zeitpunkt bereits sein Bundestagsmandat aufgegeben hatte und damit eine offenbar bevorstehende Aufhebung der Immunität gegenstandslos geworden war, fragt sich, weshalb sich Juristin Lambrecht überhaupt über eine ihr nun fremde Justizangelegenheit verbreitet.

Bei der SPD scheint man von rechtsstaatlicher Unschuldsvermutung und Datenschutz nicht viel zu halten. Bemerkenswert ist insbesondere, dass auch der Journalist der Lokalzeitung DIE HARKE, der eigenmächtig in Edathys Wohnung hineinfotografierte, als Quelle für den Tipp zur Razzia Kreise der Landes-SPD angibt. Die Geschwätzigkeit der Genossin Lambrecht kommentierte bereits gestern auch Ex-MdB Jörg Tauss, der Parallelen zum Umgang zu seinem damaligen Fall aufzeigte. Zwar wurde Tauss schließlich wegen Besitz entsprechenden Materials verurteilt, dennoch hätte auch für ihn die Unschuldsvermutung bis zur Rechtskraft des Urteils gegolten.

Edathy hätte Bilder wie die von der WELT beschriebenen nach deutschem Recht wohl legal erwerben können. Mit einer Spur Raffinesse wären auch Zahlungswege und IP-Adresse zu verschleiern gewesen. Edathy allerdings soll der WELT zufolge sogar teilweise einen Server des Bundestags benutzt haben. Der Fall führt besonders drastisch vor Augen, dass auch Politiker, die sich gesetzestreu verhalten, durch Missachtung ihres Rechts auf Privatsphäre "abgeschossen" werden können. Die NSA dürfte allein über Kreditkartendaten und Metadaten über das Privatleben von Politikern genug wissen, um diese notfalls zu kompromittieren. Wie gezeigt, reicht es zur sozialen Ächtung bereits aus, wenn auf einem anderen Kontinent eine Datenspur gefunden wird, was sich notfalls auch arrangieren ließe. Mit Edathy traf es ausgerechnet einen Befürworter der Vorratsdatenspeicherung, vor deren Unsicherheit und Missbrauch Aktivisten sowie auch das Bundesverfassungsgericht warnen. Die Vorratsdaternspeicherung setzt insbesondere das Prinzip der Unschuldsvermutung außer Kraft.