Ein Abschied - persönliche Gedanken zum Tode Leonard Nimoys

Außer Kontrolle

Leonard Nimoy ist seit einem Monat tot. Ein persönlicher Nachruf.

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Es ist für mich immer ein etwas seltsames Gefühl, wenn ich um jemanden trauere, den ich nie kennengelernt habe. Nichtsdestotrotz geht mir so manches Mal der Tod eines "Prominenten" nahe - egal, ob es nun ein Musiker, Schauspieler oder was auch immer ist. Es ist einen Moment lang so, als hätte ich mir gewünscht, diese Person möge am liebsten ewig leben. Natürlich ist mir klar, dass niemand ewig leben wird und dass der Tod zum Leben gehört, aber es ist doch ein Gefühl als fehle einfach plötzlich jemand, den ich liebgewonnen habe.

Oft wird dann gefragt: "Willst du etwas zum Tod von xy schreiben?" - und eigentlich möchte ich dies auch. Auch deshalb, weil mir dieser Jemand eben wichtig war. Andererseits aber soll natürlich der Nachruf oder das Persönliche möglichst schnell erledigt werden. Viele haben bereits Nachrufe für etliche Personen auf Vorrat geschrieben, fügen noch ein paar aktuelle Dinge hinzu und fertig.

Aber ich möchte mich nicht schon im Vorgriff damit befassen, dass irgendwann irgendwo xy sterben wird und ich dann bitteschön schon meine Trauer vorbereitet habe. Und nach seinem Tod möchte ich auch einen Moment (oder mehrere Momente) haben, um innezuhalten, um noch einmal die alten Filme zu sehen oder die alte Musik zu hören, das Buch zu lesen, dessen Autor nicht mehr da ist. Diese Zeit, um mich mit dem Tod dieses Menschen wie auch seinem Schaffen, aber auch der Frage, wieso mir dieser Tod so nahegeht, zu beschäftigen, erscheint mir wichtig.

So war es für mich auch, als ich vom Tode Leonard Nimoys gehört habe. Die Überschriften "Spock ist tot" oder auch das von mir meinem Mann zugerufene "Spock ist gestorben" zeugten davon, wie sehr Leonard Nimoy (auch von mir) mit der Rolle identifiziert wurde, in der er berühmt wurde: der spitzohrige, logisch denkende und Gefühle nur selten verspürende Mr. Spock. Oder besser: Commander Spock.

Der Sohn eines Vulkaniers und einer von der Erde stammenden Mutter war in der Star-Trek-Originalserie das Element, das für mich tatsächlich am "faszinierendsten" war. Nicht nur war er der Gegenpol für den allzu emotionalen (und für mich oft eher kreuzlangweiligen) Captain Kirk, er war auch durch sein Unverständnis, was Emotionen und daraus resultierende Handlungen angeht interessant weil er so manche Diskussion entfachte. Später sollte er noch in den Star Trek-Filmen mitspielen und einige Cameos haben. Er selbst sah sich wohl genauso in dieser Rolle gefangen, denn seine Autobiographien betitelte er "I am Spock" und "I am not Spock".

Leonard Nimoys hageres Gesicht prägte sich für mich jedenfalls unwiderruflich ein - und als er in "Fringe – Grenzfälle des FBI" William "Belly" Bell spielte, da freute mich das, weil ich ihn auch als großen Schauspieler ansah. Bei ihm reichte ein Heben der Augenbraue oder nur ein Mundverziehen aus, um teilweise mehr darzustellen als so mancher Schauspieler mit dem ganzen Körper.

Es war unglaublich, wie vielseitig er war. Er war ja nicht nur Fernsehschauspieler, er war Theaterschauspieler, er sang, er schrieb Gedachte und photographierte, er engagierte sich u.a. auch für gleiche Bezahlung von ihm und Nichelle Nichols (Uhura) während der Star-Trek Zeit, war Hobbypilot und arbeitete als Regisseur. Und er hatte bereits während seiner Zeit als Mr. Spock Einfluss auf seine Rolle. Die als vulkanischer Gruß bekannte Geste sowie der Gruß "Live long and prosper" gehen auf ihn zurück. Er erinnerte sich dabei an einen Gruß der jüdischen Priester. Auch der Griff, mit dem Mr. Spock Menschen betäuben konnte (bzw. mit dem die Bewusstlosigkeit hervorrief) war seine Idee.

Was aber Mr. Spock für mich so besonders machte war, dass er mich erst dazu brachte, mich überhaupt in irgendeiner Form für Science Fiction zu interessieren, die mir sonst zu dröge oder abgehoben erschien (bzw. zu klamaukhaft dargestellt wurde). Ich war nie ein besonderer Freund der Wissenschaften und der Technik und vieles erschien mir einfach unwichtig.

Star Trek änderte das nur durch Mr. Spock. Captain Kirk mit seiner Crew allein hätte dies kaum geschafft. Kirk war mir zu machohaft und ein Rabauke, McCoy und Scotty waren zwar nett, aber eher langweilig, Uhura eher schmückendes Beiwerk - es war Mr. Spocks Verdienst, dass ich Star Trek anschaute und mehr über die Galaxie oder Raumschiffe wissen wollte, über ggf. vorhandene andere Lebensformen im Weltall nachdachte oder über so profane Dinge wie "warum leuchten die Sterne". (Und auch über viele Eigenheiten der "menschlichen Spezies" und ihrer Gefühle.)

Es muss vielen so gegangen sein, denn die in Colorado ansässige "Space Foundation" verlieh ihm den "Douglas S. Morrow Public Outreach Award" für seine Verdienste – dafür, dass er eine positive Figur geschaffen hatte, die unzählige Menschen dazu inspiriert hatte, mehr über das Universum herauszufinden".

Auch wenn Zachary Quinto nun Mr. Spock spielt, so wird für mich immer Leonard Nimoy der Spock sein und wenn heute Abend hier "Never trust a klingon" von der schwedischen Elektronikband S.P.O.C.K. laufen wird, dann werde ich seiner gedenken. Und ich denke auch an die ergreifenden Gedichte, die er schrieb, wie in dem Gedichtband "A lifetime of love", aus dem dieses Gedicht stammt:

Ich bin ein Kind.
Ich freue mich auf jeden neuen Tag mit einem Sinn für das Abenteuer.
Es gibt so viel zu lernen... wegen dir...
Deine Gegenwart bringt Frieden in mein Herz.
Deine Berührung ist die Wärme der Sonne.
Mögest du geleitet werden vom himmlischen Licht.
Mögen deine Träume Wirklichkeit werden.
Mögen deine Ziele gut gewählt und sicher erreicht werden.
Mögen deine Taten von Anstand und Großmut geprägt sein.
Und vor allem, mögest du die Zeit haben, freundlich zu sein.
Danke für eine Welt voller Freundlichkeit.
Danke für deine endlose Geduld.
Danke für dein einfühlsames Verstehen.
Danke für deine Liebe.