"Ein Harlekin kann nicht Außenminister bleiben"

Politikerauftritte aus der Sicht eines Kommunikationsstrategen

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Auch der Rheinische Merkur ist gelegentlich für Überraschungen gut: Dort spricht der Kommunikations-Berater und Osnabrücker Honorarprofessor Klaus Kocks, einst PR-Chef von VW, über das Verhältnis von öffentlichen Personen und Medien und die Gier nach tragischen Figuren. Es geht darin recht einleuchtend um Erwartungsmuster und Aufmerksamkeitszyklen, am interessantesten ist Kocks aber, wenn er die jüngsten Auftritte konkreter Personen bewertet.

Am härtesten fällt kaum überraschend das Urteil über Guido Westerwelle aus: Aus der Kasperrolle werde er nicht mehr herauskommen, ist sich Kocks sicher. Westerwelle habe, so Kocks, der öffentliche Auftritte in Form von Theateranalogien beschreibt, "noch nicht einmal das Format des tragischen Helden. Er ist eher Teil einer Bauernkomödie. Er schafft es nicht, aus der Harlekinrolle herauszukommen. Ein Harlekin kann nicht Außenminister bleiben, sondern allenfalls FDP- Vorsitzender."

Westerwelles Medienkritik nach den Korruptionsvorwürfen im Gefolge seiner Südamerikareise sei öffentlichkeitsstrategischer "Wahnsinn" gewesen. "Was noch verschärfend hinzukommt, ist die Tatsache, dass er sich über etwas völlig Selbstverständliches beklagt. Diejenigen, die früher seine Komplizen waren, schauen jetzt kritisch hin. Sich darüber zu beschweren, das geht einfach nicht."

Auf die Frage nach dem nächsten öffentlichen Absturzkandidaten nennt Kocks: "Ganz klar Karl-Theodor zu Guttenberg. Ein Teil seines Erfolgs ist Gloria von Thurn und Taxis geschuldet. Er läuft in der Rolle des fränkischen Adeligen, gemäßigt spleenig, aber hübsch anzusehen. Der Tag, an dem er das Foto zugesagt hat, auf dem er mit einem Dinosaurier posiert, war der Wendepunkt seiner Karriere. Guttenberg ist durch dieses Bild kein anderer Mensch geworden, aber die Wahrnehmung hat sich geändert. Er ist schnell aufgestiegen, und deshalb soll er fallen."

Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann hingegen habe gerade mit ihrem schnellen Rücktritt ihr Comeback programmiert, und werde wieder eine wichtige Rolle zu übernehmen. "Sie hat versucht, den tragischen Zyklus zu unterbrechen, und sie ist erfolgreich damit. Die überwiegende Reaktion war Respekt."

Ein Beispiel des Madonna-Mottos "Reinvent yourself" wird ausgerechnet Wolfgang Schäuble: "Der tragische Held kann zwar das Drama nicht zu seinen Gunsten anhalten, er kann aber in einem neuen Stück mitspielen - Schäuble war verstrickt in das System Kohl, heute ist er fester Bestandteil des Systems Merkel."

Und am Schluss noch ein paar Lehren für unseren nächsten öffentlichen Auftritt: "Normale Menschen sehen aus wie Knallchargen, wenn man sie in eine Rolle zwingt. Man muss als PR-Berater darauf achten, dass Widerspruchsfreiheit besteht. Ich kann nur versuchen, Kontraproduktives zu vermeiden und Gutes zu verstärken. Authentizität ist nur der Anschein ihrer selbst. Einen Menschen, den Sie nur über Medien wahrnehmen, kennen Sie ja nicht wirklich, Sie können nicht beurteilen, ob Reden und Handeln übereinstimmen. Wir können nur beurteilen, ob er uns authentisch erscheint."