Erfolg für Atomgegner: Castor-Transport vermutlich bis zum Vormittag blockiert

Die Hinweise mehren sich, dass die Polizisten nicht die Atompolitik der Bundesregierung bedingungslos durchsetzen wollen

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Die Atomgegner haben offenbar vorerst ein symbolisches Ziel erreicht. Der Castortransport scheint für diese Nacht nicht mehr von der Stelle zu kommen. Er musste bei Dahlenberg, 30 km entfernt vom Umladebahnhof in Dannenberg, wegen einer Blockade durch Tausende Protestierer angehalten werden. Dort wird er von Stacheldraht und Polizei geschützt. Nach Auskunft der Deutsche Polizeigewerkschaft, so die Tagesschau, könne die Fahrt erst am Montag Morgen nach einer Lagebesprechung fortgesetzt werden. Die Polizisten seien nach dem 24-stündigen Einsatz völlig erschöpft. Bei der Polizei wollte man die Niederlage nicht einräumen und sprach davon, dass der Zug womöglich doch noch in der Nacht weiter fahren würde.

Mindestens 5000 Aktivisten haben sich ab Bahnkilometer 188 eine taktisch günstige Stelle ausgesucht und damit die friedliche Sitzblockade, an der sich 3000 beteiligen sollen, als wirksameres Mittel als die Schotteraktion erwiesen. Weil es neben dem Gleis steile Hänge gibt, können die Blockierer nicht einfach weggetragen werden. Nicht nur wäre es eine schwere Arbeit, diese die Hänge hoch zu tragen, es besteht auch großes Risiko, dass sie sich verletzen, wenn sie beim Wegtragen herunterfallen sollten.

Die Organisatoren [https://www.x-tausendmalquer.de/index.php?id=17&tx_ttnews[tt_news]=64&cHash=617659765160d81808f36c969abd377c berichten], die Demonstranten seien bester Laune, nachdem die Polizei tagsüber sich vergeblich bemüht hatte, die Blockade aufzulösen. Jens Maggerl vom Bündnis WiderSetzen verkündet stolz: "Wir sind unräumbar! Die Blockade kann und darf nicht während der Dunkelheit geräumt werden. Rechts und links der Schiene gibt es steile Hänge, die Polizei kriegt die BlockiererInnen dort nicht hoch. Jetzt muss die Polizei besonnen bleiben! Die Politik trägt die Verantwortung für diese Situation und muss den Castor zurück fahren lassen. Der Castor kann heute Nacht nicht weiter rollen. Die Bundesregierung kann diese Atompolitik überhaupt nicht weiter treiben!"

Mehr als tausend Menschen nehmen auch an der Sitzblockade vor dem Zwischenlager in Gorleben teil. Auch [https://www.x-tausendmalquer.de/index.php?id=17&tx_ttnews[tt_news]=65&cHash=11e4ca6005147f3ab75669eb1840726f hier] geht man derzeit davon aus, dass sich heute Nacht nichts mehr tut: "Um 22.30 Uhr ist offiziell Nachtruhe - ja, auch so was gibt es bei Sitzblockaden! Und über allem leuchtet der klare Sternenhimmel und statt eines kleinen Sternchens am Firmament ist diese Blockade heute das Zentralgestirn der Milchstraße. Und Zentralgestirn der Republik. Für uns gibt es auch Nachtruhe, denn auch der Castor ruht heute Nacht. Er steht bei Dahlenburg und ist eingezäunt. Heute nacht fährt nichts mehr weiter. Schlaft alle gut, bis morgen früh."

Um eine Eskalation zu verhindern, haben Vertreter der Polizei und der Blockierer in Dahlenberg Gespräche begonnen. Allerdings wollen die Protestierer auf der friedlichen Räumung durch die Polizei bestehen. Verhandlungen gebe es nicht, nur Gespräche.

Gut möglich, dass sich viele Polizisten nicht mehr weiter für die Atompolitik verheizen lassen wollen, schließlich gibt es auch unter ihnen Gegner der Laufzeitverlängerung. Die von der Gewerkschaft genannte "Erschöpfung" könnte daher auch andere Gründe haben. Würde es zudem durch die Räumung der friedlichen Sitzblockade zu Verletzten kommen, hätte die Polizei wie in Stuttgart wieder die Schuld, was man sich vermutlich nicht mehr zuschreiben will. Das ließen auch schon die Berichte von Polizisten nach dem brutalen Einsatz in Stuttgart erkennen. Die Strategie, zwischen den friedlichen und den angeblich gewalttätigen Protestierern zu unterscheiden, wie das Umweltminister Röttgen etwa weiter vornimmt, um massives Vorgehen zu rechtfertigen, stößt vermutlich auch bei den Polizisten auf Skepsis, die Entscheidungen der Politik mit der Gefahr für Leib und Leben und öffentlicher Missachtung umsetzen.

Im ZDF sagte Röttgen, er wolle noch dieses Jahr mit den Gorleben-Gegnern sprechen. Das kam natürlich vor Ort nicht gut an. Jochen Stay, der Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt, meinte dazu: "Röttgen hat noch immer nicht verstanden: Die Situation im Wendland erfordert, dass der Minister sich jetzt auf den Weg nach Gorleben macht und nicht kurz vor Weihnachten. Die Bundesregierung kann diesen Konflikt nicht länger der Polizei überlassen, denn wie wir aktuell erleben, lässt sich die Situation mit polizeilichen Mitteln nicht mehr lösen. Der Castor-Transport steckt fest, weil Tausende von Bürgerinnen und Bürgern bei Minusgraden mit gewaltfreien Sitzblockaden die Strecke besetzt halten. Die Polizei ist am Ende ihrer Möglichkeiten. Ich fordere Norbert Röttgen auf, morgen früh ins Wendland zu kommen und mit uns gemeinsam zu überlegen, welche Auswege es aus der buchstäblich festgefahrenen Situation gibt."

Schon zuvor hatten die Deutsche Polizeigewerkschaft und der Bund der Steuerzahler gefordert, dass die Atomkonzerne sich an den Kosten der Castor-Transporten beteiligen müssten. Jeder Castor-Transport koste 50 Millionen Euro. "Wir fordern eine Sicherheitsgebühr von 50 Millionen Euro von den Atomkonzernen", sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Atomindustrie jährlich Milliarden Euro Gewinn erziele, die Kosten für die Sicherheit beim Transport von Atommüll aber dem Steuerzahler überlasse. "Die Entsorgung von Brennstäben ist ein Teil des Betriebs von Atomkraftwerken, für den die Konzerne verantwortlich sind." Auch das zeigt an, wie tief die Atompolitik der Bundesregierung spaltet.