FDP triumphiert

Die Deutschen, die überhaupt wählen gingen, ziehen aus Angst vor dem Absturz die bürgerliche Mitte des Neoliberalismus vor.

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Westerwelle und Koch-Mehrin (Bild: fdp.de)

Der große Gewinner der Europawahlen in Deutschland war die FDP, die mit der Devise "Arbeit muss sich wieder lohnen" angetreten ist. FDP-Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle feierte sich und die Partei, da keine andere Partei in Deutschland so zugelegt habe wie die FDP, die 10,8 Prozent derjenigen, die überhaupt zur Wahl gingen und mit dem Angebot etwas anfangen konnte, für sich einnehmen und so die vierstärkste Partei werden konnte: "Ein empfindlicher Rückenwind für eine klare bürgerliche Mehrheit bei der Bundestagswahl", verkündete Westerwelle. "Deutschland hat sich für die Mitte entschieden."

In der Mitte drängeln sich fast alle. Die Gewinne der FDP dürften vor allem zu Lasten der Union gehen. Die verkündet aus dem Mund von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla: "Wir haben unsere Wahlziele erreicht: Die Union ist mit weitem Abstand stärkste politische Kraft in ganz Deutschland." Man soll wohl meinen, dass die Verluste von 6,5 Prozent auch erwünscht waren. Dass der SPD-Schröderklüngel um Müntefering und Steinmeier gescheitert ist, wird man ihm zugestehen. Das Wahlergebnis habe "strategische Bedeutung", die CDU setzt auf ein Bündnis mit der FDP.

Ministerpräsident und CSU-Parteichef Parteichef Horst Seehofer, der für die Union immerhin 7 Prozent beigesteuert hat, beteuerte, dass die CSU "wieder da" sei und führte dies auf den "klaren Kurs" zurück.

Die Grünen, die leicht zulegen konnten, [http://www.gruene.de/einzelansicht/artikel/zweistellig-und-dritte-kraft.html?tx_ttnews[backPid]=10&cHash=1f8aa75cad sprechen] von einem "tollen Erfolg" für sich und andere grüne Parteien in der EU. Europa werde "grüner", versprechen sie. Man sei irgendwie "inhaltsstark" und habe der Wirtschaft und den Arbeitnehmern etwas zu bieten. Das ist doch schön.

Bei der untergehenden SPD ist man auf Mobilisierung eingeschworen. "Enttäuschend" seien die Wahlergebnisse, sagt Parteichef Franz Müntefering zu Recht. Eigentlich sei die SPD ja stark, nur würden die Anhänger sie nicht wählen, sondern lieber Zuhause bleiben. Ach ja, fragt sich nur, ob sich so die vermeintlichen Wähler zur Bundestagswahl herauszaubern lassen. Eher wohl nicht, dazu müssten wahrscheinlich neue Gesichter und ein anderes Programm her.

Die Linke ist eigentlich auch Verlierer. Die Finanz- oder Wirtschaftskrise sollte sie eigentlich emporschwemmen, das aber schafft sie nur wirklich im Osten der Republik. Angesichts der 7 Prozent will man jetzt 10 + x bei der Bundestagswahl anvisieren, sagt Lothar Bisky, denn dann gehe es "ums Soziale".

Um was ging es bei der von der Mehrheit der Deutschen missachteten Europawahl, deren Ergebnisse keineswegs als repräsentativ gelten können? Um Europa wohl nicht, eher um die Stimmung in Deutschland. Man ist verunsichert, neigt zur bürgerlichen Mitte. Die wird es schon richten. Natürlich ist das ein Indiz für die Bundestagswahl. Die SPD dürfte kaum mehr etwas zu melden haben, wenn sie nicht schnell einen radikalen Kurswechsel einleitet, wofür Steinmeier sicher nicht der richtige Mann ist. Die Linke kann die Chance der Wirtschaftskrise nicht ausbeuten. Da eine Fortsetzung der großen Koalition von niemanden gewünscht wird, scheint die Ära von Schwarz-Gelb wieder einmal anzubrechen, aber damit auch ein stärker sozialer Konflikt, der für mehr Unruhe sorgen dürfte. Angesichts der Friedhofsruhe gar nicht so schlecht.