Facebook kann Selbsttherapietool sein

Australische Studie erkennt Reflexionsanreize

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Die Soziologin Theresa Sauter vom Australian Research Council Centre of Excellence for Creative Industries and Innovation an der Queensland University of Technology (QUT) zeigt in einer in der der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift New Media & Society veröffentlichten Studie, dass Soziale Netzwerke Selbsttherapie sein können, weil sie ihre Nutzer dazu anregen, über ihre Erlebnisse zu reflektieren – sich also nicht nur darüber zu erregen, sondern darüber nachzudenken und Gefühle in abstrakte Begriffe zu fassen.

Außerdem haben Soziale Netzwerke mehr Nutzen als ein bloßes Tagebuch, weil Kommunikation mit Dritten die Reflexion verbessert und weil auf ihnen im Regelfall nicht nur einmal täglich, sondern in sehr kurzen Abständen reflektiert wird. Und anders als in der Vergangenheit, wo die schriftliche Selbstreflexion Kennzeichen einer gebildeten Elite war, deren Zeugnisse wir teilweise heute noch lesen können, stehen Facebook und Google+ einem verhältnismäßig großen Teil der Menschheit zur Verfügung.

Dass er reflektiert, muss einem Facebook- oder Google+-Nutzer nicht unbedingt bewusst sein. Der Wirkung schadet dies Sauter zufolge ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Hauptzweck einer Social-Media-Kommunikation die Unterhaltung und die Selbsttherapie nur eine "Nebenwirkung" ist. Einen potenziellen Nutzen sieht die Soziologin selbst dann gegeben, wenn über ganz triviale Dinge wie Essen oder Arbeit gepostet wird. Sie sind für sie der Schlüssel zu Gefühlen.

In einer klassischen Psychotherapie wird der Patient ermutigt, über sein Leben zu erzählen. Der Therapeut greift dabei nicht nur dann ein, wenn ihm eine Interpretation einfällt, sondern versucht, Reflexionsansätze durch gezieltes Wiederholen und Nachhaken zu bestärken und dem Problemträger das Gefühl zu geben, er könne seine Situation durch eigene Einfälle verbessern. Wenn Menschen mit emotionalen Problemen aus Zeitnot, Geldnot oder anderen Gründen keine Therapie machen, kann das technische "Hausmittel" Facebook diese zwar nicht immer ersetzen, aber zu einer Besserung beitragen.