Frankreich: Forget la Force de Frappe?

Wie Obamas atomarer Abrüstungskurs zu einem militärischen Melodram für unsere Nachbarn werden könnte

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Unter Präsident Chirac hat Frankreich seine Force de Frappe immer wieder mal laut vernehmbar in den Vordergrund gerückt: siehe Chirac lässt die atomaren Muskeln spielen. Wie wichtig die nukleare Abschreckungskapazität des Landes nicht nur für seine Militärstrategie ist, sondern auch für das Prestige der Nation, zu der doch das "Grande" dazugehört, daraus hat man im Nachbarland nie ein Hehl gemacht - auch wenn man es im Gegensatz zu Deutschland vermied, allzuviel über das Atomare zu reden (eine Politik, die lange Zeit glückte, bei Gesprächen mit Franzosen war es häufig nur die Deutschen, die "problematisierten").

Mit Sarkozy ist der zivile Aspekt der Atommacht Frankreichs in den Vordergrund gerückt, die Nukleartechnik läßt sich gut verkaufen (vgl. Die Renaissance der Atomenergie) trotz einiger Pannen, die öffentlich wurden. Von der militärischen Atommacht Frankreich war nicht mehr so viel die Rede wie noch zu Chiracs Zeiten.

Das könnte die Sache erleichtern.

Laut des "Grand Reporter" des Nachrichtenmagazins Nouvel Observateur, Vincent Jauvert, muss sich Frankreich, das auf seine Nukleardoktrin setzt, nämlich auf eine größere Niederlage gefasst machen. Das fatale Stichwort dazu heißt: atomare Abrüstung; der Ort der sich abzeichnenden Niederlage ist das Preparatory Committee, das die im nächsten Jahr anstehende Überprüfungskonferenz der Mitglieder des Atomwaffensperrvertrags, bzw. des Nichtverbreitungsvertrags ( Non-Proliferation Treaty -NPT) vorbereitet.

Von dort gibt es nämlich Sensationelles zu berichten. So freute sich der britische Abgesandte John Duncan in seinem Blog am vergangenen Donnerstag:

"Ein Tag voller Überraschungen. Ist das 'Jahrzehnt der Blockaden' endlich zu Ende? Nach 15 Jahren, in denen das Vorbereitungskomitee, das sich derzeit in New York trifft, immer daran gescheitert ist, sich auf eine Agenda für die große Überprüfungskonferenz (des des Atomwaffensperrvertrags, Einf. d.A.) zu einigen, haben wir es an diesem Morgen geschafft."

Während sich aber das britische Komitee-Mitglied Duncan in seinem Bericht darüber freut, dass es die Atommächte, also Frankreich eingeschlossen, und die Nicht-Atommächte unisono geschafft hätten, sich gegen jene durchzusetzen, "die Verfahrentricks anwenden wollten, um Diskussionen zu verhindern", weiß der französische Reporter, wer seine Blockade-Tricks nicht anbringen konnte, um den Accord zu verhindern: Frankreich, das solche Eingungsversuche bei der Abrüstung, zu dem der Atomwaffensperrvertrag verpflichtet, schon immer torpediert habe.

Anders als zu Zeiten von Bush und Blair habe Frankreich aber diesmal keine großen, wichtigen Unterstützer gehabt - außer dem isolierten Iran niemanden: Die französischen Diplomaten seien mit ihrer Position also "völlig isoliert geblieben", wie die Nachrichtenagentur Reuters in ihrem Bericht von der Durchbruchssitzung notiert:

"The French were still trying to block it but gave in overnight when they realized they were alone and isolated."

US-Präsident Obama hätte mit seiner Einflussnahme, die auf eine Zeichen für die Abrüstung setze, Erfolg gehabt, der britische Premier Brown schloß sich dieser Line an und Frankreich findet sich jetzt laut NouvelObs in jener "Falle" wieder, vor der man sich schon bei bei der Wahl Obamas gefürchtet habe. Man darf also gespannt sein, wie sich Frankreich daraus befreit (tatsächlich abrüsten?, keine neuen Raketen mehr? eine neue aufgezwungene Doktrin? quelle horreur..)

Ganz allein ist es aber doch nicht.

Auch die nicht-offizielle Atommacht Israel hat Probleme mit den atomaren Abrüstungsideen der Regierung Obama - wie ernst es dem neuen Präsidenten mit seinem Druck auf Israel ist, oder eben doch nicht, ist allerdings ein ganz anderer Fall.