Geisteskranke oder False-Flag-Operation?

Eine "Militante Gruppe Leipzig" macht mit einem wirren Drohbrief Bekay Harrach Konkurrenz

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Bekennerschreiben und Ankündigungen von Terrorakten stammen nicht selten erkennbar von Personen, deren innere Welt nur sehr bedingt kompatibel mit der anderer Menschen zu sein scheint. Nicht nur, was ihre Ziele anbetrifft, sondern auch hinsichtlich der Wahrnehmung von Zusammenhängen wie Ursache und Wirkung. Bisher schien der Schlipsislamist Bekay Harrach alias "Abu Talha" der ungekrönte König des Genres "irre Terrordrohung", nun macht ihm eine angeblich in Leipzig ansässige "Militante Gruppe" harte Konkurrenz.

Ihr gestern an die Medien verschicktes Schreiben enthält alle Versatzstücke des "linken" Terrors – aber in einer Anordnung, als hätte man sie mit William S. Burroughs Cut-Up-Verfahren aus verschiedenen Texten herauskopiert und weitgehend ohne Rücksicht auf Kohärenz neu zusammengesetzt. Das Ergebnis, in dem unter anderem angekündigt wird, bei Kontrollen Polizisten zu erschießen, wirkt derart wie eine Jargonkarrikatur, dass durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine False-Flag-Operation dahintersteckt, deren Urheber sich entweder einen Spaß erlauben oder absichtlich diskreditieren wollen.

Letzteres scheint unter anderem deshalb nicht ganz ausgeschlossen, weil der Drohbrief Passagen zu TOR und Methoden des technischen Datenschutzes enthält, die eher angelesen als einem praktischen Umgang entsprungen wirken und sich im Zusammenhang mit den relativ unbegründet belassenen Gewaltankündigungen potenziell dazu nutzen lassen, mittels einer öffentlichen Ächtung solcher Technologien Rechtseinschränkungen in die Wege zu leiten. Auf einen eher parodistischen Hintergrund deutet dagegen folgende Passage aus dem Schreiben hin:

Unsere Internetseite mit Anleitungen zum Abhören des Polizeifunks, der Herstellung von Sprengstoffen und Brandbomben, der Außerkraftsetzung der Stromzufuhr zu Polizeirevieren sowie des effektiven Abfackelns von Bonzenkarren ist derzeit im Aufbau. Leider Gottes sind SSL-Zertifizierungsserver sehr, sehr teuer, sodass wir [...] noch einige Wochen zu sparen haben [...].

In dem Drohbrief bekennt sich die "Militante Gruppe Leipzig" auch zu zwei Fahrzeugbrandstiftungen vom 21. Januar, was sie bereits in einem vor einigen Tagen versandten Bekennerschreiben machte, das sich allerdings sprachlich etwas vom gestern verschickten unterscheidet, wie folgende Kostprobe daraus verdeutlicht:

Dies gielt einmal als Zeichen gegen die verdammten Bonzen, die Ihr Fahrzeug Makre Cabrio und Vergleichbares als Statussymbol ihres Reichtums verwenden und einmal gegen die Polizei, welche immerwieder Brutal u.a. gegen friendliche Linke AktivistInnen vorgeht durch Faustschläge, Pfefferspray und dergleichen.

Bereits in diesem ersten Schreiben hatten "erfahrene Staatsschützer" nach Informationen der Leipziger Volkszeitung "Ungereimtheiten" bemerkt, weshalb sie nicht ausschlossen, "dass beispielsweise Neonazis gezündelt haben und den Verdacht auf Linke lenken wollen". Eine Einstufung erscheint aber unter anderem deshalb sehr schwierig, weil sich in der Vergangenheit zahlreiche offenbar ernst gemeinte Pamphlete von "Autonomen" wie Parodien lasen.