Greenpeace meldet "gefährlichen Störfall" im Kernkraftwerk Biblis A

Betreiber RWE und Atomaufsicht weisen den Vorwurf der Vertuschung zurück

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Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat ein Dokument veröffentlicht, welches die Vertuschung eines Störfalls im Kernkraftwerk Biblis A belegen soll. Demnach wurde die innere Dichtung des Reaktordruckbehälters undicht, als das Kraftwerk am 20. Oktober des vergangenen Jahres angefahren wurde.

Der Block A war am 17. September 2010 zu planmäßigen Wartungsarbeiten heruntergefahren worden, das Wiederanfahren verzögerte sich aufgrund eines Lecks, das an einer Dichtung von einer der vier Hauptkühlmittelpumpen festgestellt worden war.

Da der Reaktordruckbehälter das Herzstück des Reaktors sei, dürfe eine defekte Dichtung nicht ignoriert werden, so Heinz Smital, der Atomphysiker von Greenpeace. Ein Versagen des Reaktordruckbehälters könne zu radioaktivem Dampf im Sicherheitsbehälter führen, erklärte er. Smital bemängelte zudem, dass es in der deutschen Atomwirtschaft zur gängigen Praxis gehöre, "Störfälle nicht zu melden und Wirtschaftlichkeit vor Sicherheit zu setzen".

Sowohl der Betreiber des Kraftwerks, RWE, als auch die hessische Atomaufsicht weisen den Vorwurf von Greenpeace, es habe sich bei dem Problem mit der Dichtung um einen meldepflichtigen Störfall, zurück. In einer Pressemitteilung schreibt die Atomaufsicht, dass lediglich "Schäden an einer Einrichtung des Sicherheitssystems oder einem sonstigen aktivitätsführenden Systeme meldepflichtig" seien. Die Leckage in dem zweistufigen Dichtungssystem sei daher "eindeutig nicht meldepflichtig". Der Zustand sei "ohne sicherheitstechnische Bedeutung" und erlaube den Weiterbetrieb der Anlage. Dies habe auch der TÜV Nord bestätigt.

Noch deutlicher wird RWE. Der Konzern nennt die Vorwürfe von Greenpeace in einer Pressemitteilung "völlig haltlos" und weist diese "auf das schärfste zurück". RWE sieht in der Veröffentlichung der Umweltschutzorganisation einen Versuch, die Bevölkerung zu verunsichern. Die doppelte Abdichtung des Reaktordeckels sei so konstruiert, dass mögliche Undichtigkeiten sicher beherrscht werden, teilt der Kraftwerksbetreiber mit. Zu jeder Zeit sei die Dichtheit des Reaktordruckbehälters nach außen hin sichergestellt gewesen.

Auf die Kritik von Greenpeace, es sei bislang unklar, ob die Leckage mittlerweile repariert worden sei, geht die Pressemitteilung jedoch nicht ein. Ein RWE-Sprecher erklärte dazu gegenüber Telepolis, dass dies für den Weiterbetrieb gar nicht nötig sei. Die Doppeldichtungen seien so konstruiert, dass sie zwei mal einhundertprozentige Sicherheit bieten. Sollte eine Dichtung, so wie das geschehen ist, eine geringe Undichtigkeit haben, so gebe es ringsherum Messsysteme. Diese registrierten die Zustände des Reaktors und sorgten dafür, dass das System problemlos betrieben werden könne. "Es gibt keinen Handlungsbedarf, es ist nicht meldepflichtig und es ist kein Störfall und auch keine Gefährdung", so der Sprecher, der sich über den Hype, den Greenpeace mit unbewiesenen Behauptungen auslöse, ärgerte. Da der Reaktor aufgrund des Moratoriums derzeit drucklos ist, müsse auch nichts getan werden, so der Sprecher weiter.

Unter Wolfgang Renneberg hätte die hessische Atomaufsicht das Kernkraftwerk Biblis A eigentlich schon 1997 stilllegen wollen - aus Sicherheitsgründen. Gerald Hennenhöfer, Grenzgänger zwischen Atomindustrie und Politik und derzeit im Bundesumweltministerium für Reaktorsicherheit zuständig, verhinderte dies jedoch per Weisung.