Grüße von Kondratieff

Mitten in der großen Depression beginnt der Ölpreis wieder zu steigen.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es ist schon ziemlich erstaunlich: Die Weltwirtschaft kriecht auf dem Zahnfleisch, in den Industriestaaten geht der Benzin- und Dieselverbrauch zurück, in Deutschland steigen die Menschen vermehrt auf Bahn und Bus um (obwohl die autofreundliche Politik es ihnen nicht gerade leicht macht), und dennoch steigt der Ölpreis wieder. Bei rund 60 US-Dollar pro Fass liegt er derzeit, in den letzten zwei Monaten waren es hingegen im Schnitt 50 US-Dollar gewesen, davor sogar für ein Quartal noch etwas weniger (hier ein Chart der Monatsmittelwerte der letzten acht Jahre).

Mag sein, dass die Spekulation eine gewisse Rolle spielt. Die Börsen, allen voran Shanghai, Taipeh und Hongkong, tun derzeit so, als hätten sie nie von einer Krise gehört. Dennoch ist der Vorgang einzigartig in der Geschichte der Weltwirtschaft, seit dem King Oil das Zepter übernommen hat. In allen Krisen der letzten 50 oder mehr Jahre ist der Ölpreis stets massiv eingebrochen, diesmal hält er sich jedoch trotz wirtschaftlicher Horrormeldungen im Wochentakt auf vergleichsweise hohem Niveau. Vor der großen Preisrallye der letzten vier Jahre hatte das Fass Öl 30 US-Dollar gekostet, eigentlich hätte man erwarten können, dass der Preis zumindest dorthin zurückkehrt.

Vieles deutet also daraufhin, dass es nicht nur um Spekulation, sondern vor allem um Verknappung geht. Man kann sogar argumentieren, dass die Verknappung des Öls Teil der Krise ist, denn offensichtlich befinden wir uns gerade in einem der 80-jährigen Konjunkturtäler, den so genannten langen Wellen, die der sowjetische Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Kondratieff bereits in den 1920er Jahren beschrieben hat - und die waren stets mit einem einschneidenden Wandel an der materiellen Basis der Produktion verbunden.

In diesem Zusammenhang fragt sich natürlich, ob unsere Politiker mit ihren Banken-Rettungsschirmen und Abwrackprämien eigentlich wissen, was sie tun. Der britische Sozialhistoriker Eric Hobsbawm im Historiker-Eric-Hobsbawm-Es-Blut-Blut/662937.html: Interview mit dem Stern ist sich ziemlich sicher, dass davon nicht die Rede sein kann. Und wenn man sich zum Beispiel vor Augen hält, dass man von den 500 Milliarden Euro, die allein die Bundesrepublik für die Banken bereitstellt, jedem der eine Milliarde weltweit hungernden Menschen eine knappe Tonne Reis kaufen könnte, kann man ihm eigentlich nur beipflichten.