Hilflos ausgeliefert

Frankreich nach dem Verlust von zehn Afghanistan-Soldaten

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Die Beteiligung der Franzosen am Militäreinsatz in Afghanistan, seinerzeit vom Präsidenten Jacques Chirac und seinem sozialistischen Premier Lionel Jospin entschieden, wurde bislang von der "Quasi-Gesamtheit" der politischen Kräfte in Frankreich getragen und "prinzipiell nicht angezweifelt, klärt Le Monde heute ihre Leser auf. Die grundlegende Haltung zum militärischen Einsatz wird noch einmal vorgestellt, weil sie in den nächsten Tagen ziemlich sicher einer Revision unterzogen wird: Frankreich betrauert zehn tote Soldaten – zum Teil "unerfahrene Kinder" wie einer der Angehörigen beklagt – und 21 Verwundete, die Opfer eines Hinterhalts am Montag in Afghanistan wurden: Die schwersten Verluste, welche die französische Armee in einem einzigen Gefecht seit dem Algerienkrieg hinnehmen musste.

Der Einsatz in Afghanistan wird durch diesen tragischen Verlust in öffentlichen Debatten neu bewertet. Während Sarkozy in Kabul an die Moral der Soldaten appelliert, fordert die Opposition zuhause eine Neudefinition der Mission und präzise Antworten darauf, was die Soldaten dort genau machen und wie lange die Mission laufen soll.

Erstaunlich und in anderen Ländern unüblich präzise Antworten darauf, was im Einzelnen bei dem Hinterhalt am Montag passiert ist, finden sich heute in Le Monde, wo die Verletzten zu Wort kommen und von vielen Fehlern sprechen, die den offiziellen Erklärungen des oberkommandierenden Generals widersprechen. Demnach haben die Kampfhandlungen von halb zwei Uhr nachmittags bis spät in die Nacht angedauert. Die letzten Verwundeten konnten erst um 2 Uhr morgens geborgen werden. Eine Serpentinenstraße, welche die Verbindung zwischen den Distrikten Saroubi, zur Provinz Kabul gehörend, und Tag Ab, zur Nachbarprovinz Kapisa gehörend, herstellt, sollte unter Kontrolle gebracht werden, da beide Distrikte zum neuen erweiterten Einsatzgebiet der französischen Armee in Afghanistan gehört. Präsident Sarkozy hatte im April dieses Jahres den erweiterten Einsatz entschieden.

Die Straße wurde laut Bericht einige Zeit zuvor von den Taliban kontrolliert, man wollte sich versichern, dass sie nun frei von Guerillas sei. Allerdings weist die Le Monde darauf hin, das sie keinen größeren strategischen Wert an sich hätte, denn es gebe auch andere Verbindungen. Die Schilderung der Kampfhandlungen ähnelt in bemerkenswerter Weise solchen aus der Zeit der russischen Besetzung des Landes: Da die Straße reich an Serpentinen ist, bot sie den gegnerischen Guerillas die Möglichkeit aus einem Hinterhalt heraus den Aufklärungstrupp eines Konvois anzugreifen, der eine Passhöhe kontrollieren sollte. Vier Stunden lang wurde die Vorhut unter Beschuss genommen, ohne dass Unterstützung zur Hilfe eilen konnte. Ohne Munition waren die Franzosen dem Gegner hilflos ausgeliefert.

Die Luftunterstützung der Amerikaner, von der der General in seiner Darstellung erzählte, soll laut der Aussagen der Verwundeten ihr Ziel meist verfehlt haben und die französischen Soldaten getroffen habe, ebenso wie Schüsse der verbündeten Afghanen, die weiter unten am Pass ihre Stellung hatten. Anders als offiziell erklärt sollen die 10 Soldaten danach nicht schon bei den ersten Schusswechseln getötet worden sein, sondern im Laufe des schweren Gefechts. Beklagt wurde zudem, dass man dem riskanten Einsatz des Konvois keine begleitende Schutztruppe beigegeben habe.