Hoeren gegen Abhören

Internetrechtsprofessor: "Vorratsdatenspeicherung? Nein, danke!"

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Zum Gesetzentwurf zur geplanten Vorratsdatenspeicherung hat sich vergangene Woche der bekannte Medienrechtler Prof. Thomas Hoeren geäußert. Der Direktor des Instituts für Informations-, Medien- und Telekommunikationsrecht der Universität Münster und Herausgeber von Fachzeitschriften und -Büchern zum Medienrecht äußert im Beck-Blog über die aktuellen Pläne und deren Tempo Unverständnis.

Wer solch schwerwiegende Eingriffe in die Kommunikationsfreiheit und die Privatsphäre vornehmen wolle, habe sehr hohe Darlegungs- und Beweislasten zu erfüllen. Insofern seien die Strafverfolgungsbehörden im Obligo, dem diese jedoch nicht entsprochen hätten. Hoeren erinnerte demgegenüber an die Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, die den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung ausführlich geprüft habe, einen solchen für Raub und Mord jedoch nicht zu verifizieren vermochte. Soweit eine methodisch umstrittene Studie des BKA mit Aufklärungserfolgen bei Computerbetrug argumentiere, seien solche Delikte im aktuellen Entwurf zur Vorratsdatenspeicherung gar nicht berücksichtigt.

Hoeren, vormals Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf, sieht auch erhebliche praktische Mängel am gepanten Gesetzeswerk. So enthalte die Liste an Straftatbeständen, für welche die Vorratsdatenspeicherung bemüht werden solle, auch eine Reihe von Straftaten, deren Konturierung kaum möglich sei, etwa bei Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats oder der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates.

Erhebliche Zweifel bestünden an der Verfassungsmäßigkeit. Neben den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts habe auch der EuGH eine anlasslose Speicherung der Daten unbescholtener Bürger ausdrücklich verboten. Im Kern sei es dem EuGH nicht nur darum gegangen, die umfassende flächendeckende Erhebung aller Daten zu sanktionieren, sondern generell die anlasslose Erfassung von Daten zu verbieten.

Hoeren schließt seine Stellungnahme mit dem Verweis auf das Unvermögen der Vorratsdatenspeicherung, die Attentate in Boston und auf die Charlie Hebdo-Redaktion verhindert zu haben. Die Behauptung des Wirtschaftsministers Gabriel, die NSU-Anschläge hätten durch Vorratsdatenspeicherung verhindert werden können, seien nicht schlüssig. Warum ein solch umstrittenes Projekt nun mit aller Eile durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht werde, sei vollkommen unverständlich - oder böswillige Perfidie.

(Disclosure: Der Autor hat am Lehrstuhl Hoeren gearbeitet.)