Homosexualität ist nichts Ehrenrühriges und ein Zwangsouting keine Bedrohung

Außer Kontrolle

Im Fall eines österreichischen Pädagogen, der wegen Vergewaltigung und schweren sexuellen Missbrauchs an jungen Männern verurteilt wurde, hat der Oberste Gerichtshof das Thema der Nötigung und der Homosexualität aufgegriffen

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"… sonst erzähle ich euren Eltern, dass ihr homosexuell seid." So lautete sinngemäß die Drohung, die ein Pädagoge ausstieß, um sich männliche Jugendliche gefügig zu machen. Der Pädagoge, der im April 2013 zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft wegen Vergewaltigung und schweren sexuellen Missbrauches verurteilt worden war, hatte Nichtigkeitsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof in Wien eingelegt. Dieser gab der Beschwerde zwar nicht statt, wies jedoch Teilaspekte an das zuständige Landesgericht Wiener Neustadt zurück.

In der bisher noch unveröffentlichten Begründung, die immerhin 35 Seiten umfasst, stellt der OGH fest, dass "Homosexualität nichts Ehrenrühriges" sei und dass sie genauso behandelt werden sollte wie Heterosexualität. Und das, so der OGH, führe dazu, dass es keine Drohung sei, den Eltern von der Homosexualität des Kindes oder des Jugendlichen zu erzählen.

Wie der Standard zutreffend darlegt, birgt die Entscheidung ein Dilemma: Zum einen wird Homosexualität hier als ebenso natürlich und als ebenso zu behandeln wie Heterosexualität angesehen - was zu begrüßen ist.

Zum anderen ist dies oft genug noch graue Theorie, weshalb das Androhen des Outings für viele weiterhin abschreckend ist und für sie eben doch eine Drohung darstellt - bzw. eine Tat, die nur deshalb zugelassen wird, damit dieses Zwangsouting nicht erfolgt. Eine Nötigung.

"Die Burschen sind eben wegen dieser Drohung mit dem Beschuldigten ins Bett gegangen", fasst es der Anwalt eines der Opfer des Mannes zusammen. Helmut Graupner, Verteidiger und Präsident des Rechtskomitees Lambda, sieht in der Begründung des OGH ebenfalls ein Problem: "Die Entscheidung ist gut gemeint und von der Argumentation her emanzipatorisch. Aber dadurch könnte auch eine Strafrechtslücke entstehen."

Die Schutzlücke besteht darin, dass Drohungen des Zwangsoutings nur dann auch strafrechtlich zu ahnden wären, wenn durch das Zwangsouting tatsächlich ein Vermögensschaden zu erwarten gewesen wäre. Würde dieser nicht eintreten, so könnte man höchstens zivilrechtlich gegen den Bedrohenden vorzugehen.

Helmut Grauptner hat bereits Vorschläge unterbreitet, wie einerseits die Normalität der Heterosexualität akzeptiert und gleichzeitig der Bereich der Nötigung/Drohung reformiert werden könnte. Da in Österreich bereits ein Gremium für eine Reform des Strafrechtes an Neuformulierungen des Strafgesetzbuches arbeitet, ist es erfreulich, wenn der Leiter des Gremiums mitteilt, dass hier bereits an einem "Schutz vor Bloßstellung" gearbeitet wird. Hier könnten auch "modernere Probleme" wie z.B. die Bloßstellung durch bestimmte Handyfotos und dergleichen miteinfließen (bzw. in einer allgemeinen Formulierung, die dann letztendlich durch Richterentscheidungen mit Inhalt gefüllt wird, im StGB Eingang finden).

Bis zu dieser Neuformulierung wird es aber dabei bleiben, dass das Zwangsouting für den Betroffenen nicht als Drohung angesehen wird, was oft genug die Wirklichkeiten in Bezug auf das familiäre Umfeld, die Freunde und auch das berufliche Umfeld nicht berücksichtigt. Wie in den letzten Monaten erneut erkennbar, ist Homosexualität (gerade auch in vielen Berufssparten) ebensowenig als "normal" anerkannt wie in vielen Familien, die z.B. sogar auf Heilungscamps oder ähnliches setzen.

Die Argumentation, dass Homosexualität nur einen kleinen Teilbereich der Menschen betrifft und daher eben nicht Normalität ist, ist vorgeschoben und versteigt sich auf das Attribut "normal", was zum einen stets von Umfeld, Gesellschaft usw. abhängig ist, zum anderen letztendlich auch nur eine Wertung darstellt.

Davon abgesehen ist es ein Scheingefecht, um den Begriff der Normalität zu streiten, da es letzten Endes nicht darum geht, eine allgemeingültige Definition zu finden und in "normal" und "abnormal" zu unterteilen, sondern auch das vermeintlich "Abnormale" innerhalb gewisser Grenzen zu tolerieren. Diese Grenzen bestehen insbesondere in der Schädigung anderer, wobei auch hier natürlich wieder die Definitionsfragen auftauchen. Letztendlich wäre es wünschenswert, wenn die "Drohung", dass die Homosexualität an Freunde, Nachbarn, Familie ... weitergetragen wird, tatsächlich keine mehr wäre.