Im Zweifel gegen das Zimmermädchen..

und für den Angeklagten: Die New Yorker Staatsanwaltschaft beantragt, die Anklage gegen den ehemaligen IWF-Chef Strauss Kahn zurückzuziehen. Update

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Stimmen die Informationen der New York Times, so könnte der ehemalige IWF-Chef Dominique Straus Kahn morgen wieder in ein Flugzeug nach Frankreich steigen. Der leitende Staatsanwalt, Cyrus R.Vance, wird morgen den Richter darum bitten, die Anklage gegen Strauss Kahn wegen versuchter Vergewaltigung und sexueller Belästigung fallen zu lassen, so die Zeitung, die sich auf eine Quelle beruft, die mit der Angelegenheit vertraut ist.

Demnach hat das Büro des Chefanklägers bereits ein Papier vorbereitet, das sich "Dismissal on Recommendation" nennt - eine Rücknahme der Anklageempfehlung, in der dargelegt wird, dass die Staatsanwaltschaft von einem Zweifel im Kern des Falles ausgeht, der sich nicht vernachlässigen läßt: "that the case cannot be proved beyond a reasonable doubt". Die Anklage ist sich nicht mehr sicher, ob sich die sexuellen Handlungen als eindeutig erzwungen bzw. kriminell beweisen lassen.

Die Unsicherheit der Staatsanwaltschaft wird in dem Artikel mit dem mangelnden Vertrauen in die Glaubwürdigkeit des Zimmermädchens begründet. Nafissatou Diallo wurden falsche Angaben im Zusammenhang mit ihrer Einwanderung nachgewiesen. Sie hatte sich in widersprüchliche Angaben über die Zeit nach dem Vorfall im Hotelzimmer verwickelt. Dazu kam eine obskure Beziehung mit einem Mann, der als Dogendealer verdächtigt in U-Haft sitzt. Infolge der Beziehung wurden höhere Geldsummen auf ihr Konto überwiesen.

Ein Telephongespräch über Geld zwischen Diallo und dem in U-Haft Einsitzenden brachte schließlich den einstmals "starken Fall" zum Kippen. Zwar ist der Wortlaut des in Fulani geführten Gesprächs noch immer umstritten ( Lost in Translation?). Die Staatsanwaltschaft geht jedoch davon aus, dass es bei der fraglichen Gesprächsstelle in der Substanz darum ging, dass im Fall Strauss Kahn viel Geld im Spiel ist, was zu Mutmaßungen über die Motive der Zeugin führt. Ob die Aussage Diallos wörtlich mit "this guy has a lot of money. I know what I’m doing" wiedergeben werden kann, scheint für die Staatsanwaltschaft dabei weniger entscheidend zu sein als das Gesamtbild, in dem die Zeugin präsentiert werden kann. (Einfügung: Laut verschiedenen Berichten haben sich die Anwälte Diallos im Juni mit den Anwälten Strauss Kahns getroffen, "um über Geld zu reden", was ein bestimmtes Bild von der Zeugin verstärkt.)

So fürchtet die Anklage, dass ihre Vertreter sich wegen der Unsicherheiten des Falles im Kreuzverhör wiederfinden könnten als Zeugen der Verteidigung. All dies spricht nicht gerade für eine gute Arbeit der Staatsanwaltschaft. Dass die Staatsanwaltschaft kein Vertrauen mehr in ihre Zeugin hat, nachdem man Wochen zuvor von einem "starken Fall" gesprochen hatte, hinterlässt keinen guten Geschmack - zumal die Zweifel an der Zeugin konkret nicht das betreffen, was ihrer Darstellung nach im Hotelzimmer geschehen ist. Sondern ihre Person. Laut einem Ermittlungsbeamten liege dies weniger an den einzelnen Punkten, in denen die Zeugin widersprüchliche oder falsche Aussagen gemacht habe, vielmehr daran, dass sie diese nicht von sich aus richtigstellte, sondern erst nach hartnäckigem Nachfragen.

"With her, we had to drag the details of the lies out of her over weeks. It might have been different if she had let all the air out in a day or two. Every time she was confronted with her lies, she would blame someone else - someone told her to say this for asylum, someone else took advantage of her bank accounts, someone else did the taxes."

Die Zeugin gilt als demontiert, der Fall wird wahrscheinlich morgen bei einem Richtertermin geschlossen, wie nicht nur die New York Times, sondern auch andere Medien in den USA und in Frankreich voraussagen. Die Frage, was im Hotelzimmer genau passiert ist, bleibt offen.

Update

: Oberstaatsanwalt Vance hat nun offiziell bei zuständigen Richter beantragt, die Klage zurückzuziehen. Es gebe keine eindeutigen obejektiven Beweise dafür, dass die sexuellen Aktivitäten durch Gewalt erzwungen stattgefunden hätten. Mithin hängt alles von der Glaubwürdigkeit der Zeugin ab.

"Because none of the evidence established force or a lack of consent, the motion said, the case would hinge on the testimony of the woman, Nafissatou Diallo."

Die Zeugin gilt der Staatsanwaltschaft, so der Spiegel als notorische Lügnerin. Laut New York Times statuiert das Papier der Staatsanwaltschaft, dass die Glaubwürdigkeit des Zimmermädchens nicht über jeden Zweifel erhaben ist:

"The nature and number of the complainant’s falsehoods leave us unable to credit her version of events beyond a reasonable doubt, whatever the truth may be about the encounter."