In Wolgograd zuschlagen und die Angst vor Sotschi schüren

Zwei tödliche Anschläge innerhalb kürzester Zeit im vormaligen Stalingrad setzen russische Sicherheitsbehörden der Kritik aus

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Es sind sogenannte „weiche Ziele“, die sich die Attentäter in Wolgograd ausgesucht haben: einen Bus am 21. Oktober dieses Jahres, Bilanz: sechs Tote; den Bahnhof am Wochenende, Bilanz: 17 Tote; heute morgen war es erneut ein Bus, in dem eine Bombe explodierte, vorläufige Bilanz: 14 Tote. Derzeit gehen die russischen Ermittlungsbehörden von einem Selbstmordattentäter aus.

Laut Angaben des Sprechers des russischen Ermittlungskomitees, Wladimir Markin, sollen Teile der Bombe, die heute Morgen von dem Attentäter in dem Linienbus zur Explosion gebracht wurde, mit dem Inhalt der Bombe am Sonntag im Bahnhof von Wolgograd identisch sein. Gemutmaßt wird nun, dass bei allen drei genannten Anschlägen sogenannte "schwarze Witwen" als Selbstmordattentäter fungierten.

Zumindest für den Anschlag Ende Oktober wurde eine Frau aus Dagestan, angeblich "die Ehefrau eines islamistischen Bandenführers" vom Ermittlungskomitee als Täterin identifiziert. Nach bisherigen Erkenntnissen wurde bei dem Anschlag auf den Wolgograder Bahnhof ebenfalls eine "Selbstmordterroristin" ausgemacht, "die sich vor einem Metalldetektor am Haupteingang des Bahnhofs in die Luft sprengte, als sie von der Polizei aufgehalten wurde". Eindeutig nachgewiesen ist das allerdings nicht. Laut einer Meldung der Agentur Interfax habe ein "slawisch aussehender Mann" die Bombe gezündet, so die SZ. Ob der heute Selbstmordanschlag von einem Mann oder einer Frau durchgeführt wurde, ist demnach auch strittig, da in Meldungen russischer Medien von einem Mann die Rede sei.

Auch über den Hintergrund des heutigen Anschlags gibt es keine genauen Feststellungen, nur viele Mutmaßungen, die in vielen Berichten darauf zielen, dass die Anschläge in Wolgograd mit der Aufmerksamkeit kalkulieren, die Russland angesichts der anstehenden olympischen Winterspielen in Sotschi zukommt. Islamisten aus dem Nordkaukasus würden die weltweite Aufmerksamkeit für ihre Sache nutzen, um darauf hinzuweisen, dass sie jederzeit und überall zuschlagen könnten.

Die Regierung in Moskau hat darauf reagiert. Hieß es am Morgen in einer ersten Reaktion aus Kreisen des russischen Olympia-Komitees noch beschwichtigend, dass keine zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen für die Winterspiele in Sotschi nötig seien, weil "alle notwendigen Sicherheitsmaßnahmen schon getroffen sind", so meldete RIA Novosti kurze Zeit später, das russische Innenministerium habe landesweit verstärkte Sicherheitsvorkehrungen angekündigt: "Besondere Aufmerksamkeit gelte Verkehrsknoten und Orten mit Massenansammlungen von Menschen. Spürhunde würden massiv eingesetzt."

Unterdessen, heißt es an anderer Stelle, würden Experten die Antwort schuldig bleiben, warum sich die Anschläge in Wolgograd wiederholen konnten. Sicherheitsdefizite seien offensichtlich. Die Sotschi nächstgelegende große Stadt heißt Krasnodar; Wolgograd ist vom Austragungsort der Winterspiele weiter entfernt, das ehemalige Stalingrad ist aber der symbolisch bedeutendere Ort. Schlagzeilen aus Wolgograd ist eine größere Aufmerksamkeit sicher.