Instabile Zeiten für Portugal

Der konservative Staatschef beauftragt seinen Parteifreund mit der schwierigen Regierungsbildung

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Wie zu erwarten war, hat Portugals Staatschef Aníbal Cavaco Silva seinen Parteifreund, den bisherigen konservativen Ministerpräsidenten Pedro Passos Coelho, erneut mit der Regierungsbildung beauftragt. Cavaco Silva weiß, dass das eine Herkulesaufgabe für das Bündnis "Portugal à Frente" (PàF) ist, denn die Austeritätspolitik der bisherigen konservativen Koalition war abgewählt. Sie hat gut 13 Prozentpunkt verloren und muss mit 38,6% der Stimmen versuchen zu regieren.

Der Präsident richtete einen Appell an die sozialdemokratischen "Sozialisten" (PS), "die politische Stabilität und die Regierbarkeit" zu garantieren. Im Sinne des Landes sollen die Parteien ihre Interessen zurückstellen, um "dauerhafte Stabilität" zu erhalten. Die "Zeit des Kompromisses" sei gekommen, meinte er. Doch er forderte von den Sozialdemokraten, die fette Austeritäts-Kröte zu schlucken. Deren neuer Parteichef António Costa war gegen neue tiefe Einschnitte, die von den Konservativen gegen den Widerstand der Bevölkerung durchgezogen wurden. Es müsse mit der PS ein Haushalt verabschiedet werden, der die "europäische Haushaltsdisziplin erfüllt", fügte Cavaco Silva an. Wie er damit aber die "Armut bekämpfen" will, die im Land wegen der Austeritätspolitik grassiert, bleibt das Geheimnis des Konservativen.

Der angeschlagene António Costa kritisierte Cavaco Silva, weil der nichts dafür tue, "eine stabile Lösung" zu schaffen. Der Staatschef mache es sich sehr einfach, da er nur mit seinem Parteikollegen Coelho gesprochen habe. Costa steht unter Druck, da bisher die Parteichefs stets zurückgetreten sind, wenn sie die Wahlen nicht gewonnen haben. Und das fordern Parteigänger auch von Costa. Drei Kandidaten bringen sich schon in Stellung.

Eine linke Regierungskoalition wäre möglich

Costa legt sich bisher nicht fest. Er behauptet, in der Regierungsbildung "neutral" bleiben zu wollen. Er hatte zwischenzeitlich aber auch schon erklärt, keine "Negativmehrheit" bilden zu wollen. Gemeint ist damit ein Bündnis der PS mit dem Linksblock (BE), denn gemeinsam hätte diese Koalition mehr Stimmen und genauso viele Sitze im Parlament wie die PàF - und mit der grün-kommunistischen CDU hätte die Linke sogar eine klare absolute Mehrheit. Insgeheim fühlt sich Costa mit seinen 32,4% sogar als Wahlsieger, denn wären die beiden rechten Parteien wie üblich getrennt und nicht als Bündnis angetreten, hätte die PSD von Coelho sehr wahrscheinlich weniger Stimmen als die PS verbucht.

Vermutet wird, dass Costa eine Coelho-Regierung dulden könnte, die dann stets von ihm abhängig wäre, um sie abzunutzen. Er könnte sie dann jederzeit über einen Misstrauensantrag zu Fall bringen, wenn die Aussichten bei vorgezogenen Neuwahlen günstig für die PS stehen. Stabilität sieht aber anders aus. Er könnte darauf spekulieren, dass die "Erfolge" der Regierung bisher ohnehin eher bescheiden sind. Das Wachstum in Portugal ist mit 0,4% im zweiten Semester weiter schwach und dürfte nach dem starken Tourismussommer zurückgehen.

Der Tourismus hatte auch für Erleichterungen am Arbeitsmarkt gesorgt, doch sogar im August ist die Quote schon wieder auf 12,4% gestiegen. Mit dem Auslaufen vieler befristeter Jobs dürfte sie im Herbst und Winter wieder deutlich steigen. Dass sie statistisch in den gesunken ist, hat wenig mit einer Besserung zu tun. Denn in der Krise haben eine halbe Million Menschen das Land verlassen. Obwohl erstmals 2014 wieder ein Wirtschaftswachstums verzeichnet wurde, verließen erneut 110.000 Menschen das Land. Dabei handelt es sich meist um gut ausgebildete Menschen, was eine besondere Hypothek für das vergreisende Land darstellt.

Der Linksblock hat den Sozialisten ein Angebot für eine gemeinsame Regierung gemacht, um einen Wandel einzuleiten. Die Regierung könnte von der CDU gestützt oder geduldet werden, die sich gegen eine neue, von der Rechten geführten Regierung positioniert hat und raus aus der Austeritätspolitik will. Der Linksblock ist bereit, über eine Regierung zu verhandeln, wenn die PS auf einige Programmpunkte verzichtet, wie weitere Rentenkürzungen. Das wäre keine unüberwindliche Hürde für eine Partei, die wirklich der Austeritätspolitik den Rücken kehren will.

Die BE wirft dem Staatschef Verfassungsbruch vor, denn der wolle die Auflagen aus Brüssel über die Verfassung stellen. Die BE-Sprecherin forderte erneut die PS heraus, gemeinsam eine "stabile Lösung" für eine Regierung zu finden, die die "Menschen, die Wahlversprechen und den Willen der Bevölkerung verteidigt". In eine ähnliche Richtung zielt die CDU ab. Kommunistenchef Jerónimo de Sousa erklärte, dass die PS keine Linksregierung bilde, "weil sie das nicht will", womit die linken Wähler enttäuscht würden.