Integrierte Ausländer fordern von der Politik endlich Anerkennung

Wirtschaftsverbände von Migranten haben die Integrationsdebatte satt, nach einer Umfrage unter Studenten in Europa ist Deutschland wenig beliebt als möglicher Arbeitsort

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Heute findet der Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt statt. Es ist bereits der vierte. Anstatt aber die Integration voranzubringen, hat sich die von rechten und xenophoben Gruppen geschürte Stimmung gegen die Ausländer gewandt. Statt von Integration zu sprechen, stehen Sanktionen oder Abschiebungen auf der Agenda der erregten und zugleich verängstigten Menschen. Obgleich allen klar ist, dass die Zahl der Integrationsunwilligen marginal ist und die Vorstellung einer deutschen Festung, die sich vor Ausländern einschließt, gerade die Zukunft des Landes verspielt, steht das Thema ganz oben und verdrängt weitaus wichtigere.

Nun machen endlich mal einige Wirtschaftsverbände von Migranten ihrer Verbitterung Luft, schließlich kokettieren viele Politiker mit den ausländerfeindlichen Parolen, um ihr Mäntelchen in den vermeintlich günstigen Wind zu hängen. Sie schreiben in einem Appell an die Regierung:

"Deutschland verdumme durch Einwanderer, brauche keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen, heißt es von einigen deutschen Politikern mit einem Seitenblick auf den Stammtisch. Wir, die Integrierten, haben die Debatte, die in unserem Land stattfindet, satt. Und zwar gründlich!" In 600.000 Betrieben in Deutschland würden 2,5 Millionen Menschen beschäftigt sein, 2010 hätten ausländische Existentgründer 150.000 neue Jobs geschaffen.

Gefordert wird, dass die deutsche Politik sich zu den Eingewanderten als Teil der deutschen Identität bekennt. Die Steuergelder, die von diesen stammen, müssten stärker für die bessere Integration verwendet werden. Endlich sollten die ausländischen Berufs- und Bildungsqualifizierungen anerkannt werden.

"In Deutschland leben fast 16 Millionen Zuwanderer und Menschen mit Migrationshintergrund. Die Debatte, so wie sie geführt wird, beschädigt und verletzt uns. Sie beschädigt auch die Motivation unserer Kinder, sich in Deutschland zu integrieren. Wir fordern deshalb von der deutschen Politik, dass sie sich endlich zu uns bekennt. Wir erwarten, dass uns die deutsche Politik vor der Hetze von Populisten in Schutz nimmt! Wir wollen mit dem, was wir leisten, anerkannt werden."

Deutschland war allerdings auch schon vor der Sarrazin-Debatte nicht sonderlich attraktiv, wie zwei Wissenschaftler der Hochschule Pforzheim anhand einer Umfrage im letzten Jahr bei 2000 Studenten an europäischen Hochschulen. Der deutsche Arbeitsmarkt ist, so das Ergebnis der von Markus-Oliver Schwaab und Wolfgang Schäfer durchgeführten Studie, nicht besonders attraktiv für Akademiker. Prinzipiell will schon ein Viertel der Befragten nicht in Deutschland arbeiten.

Allgemein haben die englischsprachigen Länder einen Vorteil wegen der Sprache und weil sie meist eine lange Geschichte der Integration sind. Das Drängen auf das Erlernen von Deutsch ist bei den Hochqualifizierten wohl eher kontraproduktiv. Wenn Studenten schon einmal in Deutschland waren, verbessert das nicht ihre Lust, hierher zu kommen, sondern verringert die Bereitschaft. Die Deutschen gelten nicht als sonderlich aktiv im Hinblick auf Integration und offenbar auch nicht als besonders gastfreundlich, was der Ton in den letzten Wochen wohl noch einmal verstärkt hat: "Die Deutschen (konnten) bei den Integrationsaktivitäten, dem menschlichen Umfeld oder auch bei der Offenheit gegenüber anderer Kulturen nicht wirklich überzeugen.

Im Frühjahr führten die Wissenschaftler noch eine Umfrage unter türkischen Studenten durch, wo Deutschland noch einmal schlechter wegkam. "Für die Repräsentanten der größten nichtdeutschen Gruppe in der Bundesrepublik sind Offenheit gegenüber anderen Kulturen, Integrationsaktivitäten und das menschliche Umfeld besonders wichtige Faktoren bei der Bewertung der Attraktivität eines künftigen Gastlandes. Deutschland überzeugte diese Akademiker in dieser Hinsicht nicht. Hatten die türkischen Studierenden bereits Erfahrung in Deutschland gesammelt, war das Urteil noch skeptischer." Von einem Run auf den deutschen Arbeitsmarkt, so das Fazit, könne keine Rede sein.