Interaktiver Sicherheitscheck für Atomkraftwerke

Während die Politiker und Interessenverbände weiter über den Atomausstieg und Laufzeitverlängerungen streiten, fordern Kritiker die sofortige Abschaltung aus Sicherheitsgründen.

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CDU-Umweltminister Röttgen hatte nach einem Kompromiss gesucht, vermutlich nicht zuletzt, um schon in Nordrhein-Westfalen eine schwarz-grüne Koalition zu ermöglichen. In einem Interview mit der SZ sagte er, es wäre besser, nicht auf eine unbegrenzte Verlängerung des Betriebs der Atomkraftwerke zu setzen, sondern stärker auf den Ausbau Erneuerbarer Energien. Allerdings schlug er nicht vor, den unter Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg doch einzuhalten, sondern eine Betriebsdauer von 40 Jahren anzuvisieren, was immer noch eine Verlängerung von 8 Jahren wäre.

Schon dieser Kompromiss lockte die Kritiker in den eigenen Reihen hervor. Die FDP wünscht ebenso wie die CSU eine wesentlich längere Laufzeit, aus dem Wirtschaftsflügel der CDU kam die Forderung, die Atomkraftwerke doch 60 Jahre lang laufen zu lassen. Der BDI stellt sich auch quer, der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft fordert für die Industrie, billigeren Strom zu erhalten. Allerdings hat nun Umweltminister Söder noch einmal eine Wende eingeschlagen und gesagt, dass er eine "Ewigkeitsgarantie" für die Atomkraftwerke ebenso wie die geplante Kürzung der Solarförderung ablehnt. Im Gegensatz zu Röttgen hält er daran fest, dass der Staat die Gewinne aus der Laufzeitverlängerung teilweise abschöpfen solle. Die Grünen hingegen scheinen sich noch zu winden und die Umklammerung der Schwarzen zurückzuweisen. Der Grünen-Vorsitzende Özdemir lehnt den Kompromiss Röttgens ab, den er martialisch als "Kriegserklärung an die Gesellschaft" bezeichnet, und fordert die Einhaltung des Atomausstiegs.

Die Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt will den Druck auf Beibehaltung des Atomausstiegs durch Veröffentlichung eines AKW-Sicherheits-Checks verstärken. Würde man strenge Sicherheitsstandards anlegen, müssten alle 17 Atomkraftwerke sofort vom Netz, heißt es von .ausgestrahlt, auch bei minimalen müssten die meisten abgeschaltet werden. "Dem Stand von Wissenschaft und Technik, den das neue Kerntechnische Regelwerk beschreibt, entspricht kein einziger Reaktor", so .ausgestrahlt.

Zum 33 Jahre alten AKW Isar 1 wird u.a. vermerkt: 8,6 meldepflichtige Ereignisse pro Jahr, kein Schutz gegen Flugzeugabsturz, Hauptkühlmittelleitung nicht nahtlos geschweißt, nur geringe Kapazität des Notkühlsystems, Notstromversorgung vermascht, nicht auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik. Für den 27 Jahre alten Pannenreaktor Krümmel werden beispielsweise zahlreiche Sicherheitsprobleme wie 12,1 meldepflichtige Ereignisse pro Jahr, nur Schutz gegen "Phantom"-Jagdflieger, Hauptkühlmittelleitung nicht nahtlos geschweißt, nur geringe Kapazität des Notkühlsystems oder nicht auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik. Dazu kommen Unfälle und Beinahe-GAUs:

"November 1987: Knallgasexplosionen an sicherheitstechnisch bedeutsamen Ventilen
4.28. Juni 2007: Trafobrand nach Kurzschluss, schneller Druck- und Füllstandsabfall im Reaktordruckbehälter wegen Ausfall von Pumpen und Ventilen sowie Fehlern des Personals. Danach zufällige Entdeckung zahlreicher Risse, Reaktor liegt zwei Jahre still.
5.Juli 2009: Nach zweieinhalb Wochen Anfahrversuchen mit drei Störungen Notabschaltung des zuvor ausgiebigst geprüften und für 300 Millionen Euro reparierten Reaktors, Ursache: Brand des zweiten Trafos nach Kurzschluss. Seither Stillstand."