Irak: Bomben und Abschied der US-Soldaten aus den großen Städten

Premierminister Maliki feiert den "großen Sieg", demgegenüber zeigt eine Anschlagserie, wie gefährdet der Frieden im Land ist, und das US-Militär läßt im Vagen, welcher Art der Rückzug ist

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Gestern kamen 13 Menschen bei einem Anschlag in Bagdad ums Leben. In der letzten Woche waren es etwa 200; der Irak ist wieder in den Schlagzeilen. Ende Juni steht ein wichtiges Datum an - der Abzug der US-Truppen aus den großen Städen, wie im SOFA-Abkommen vereinbart. Maliki feiert das Datum "als großen Sieg", den er angesichts der Wahlen im Januar 2010 vor allem seiner Person zuschreibt. Verewigen will er sich dabei auch als Schöpfer des Nationalfeitertages, den das Land künftig am 30.Juni veranstalten soll.

Doch so sehr daran gezweifelt werden kann, ob der relative Friede der letzten Monate wirklich hauptsächlich dem Premierminister Maliki zuzuschreiben war, so wenig Zweifel gibt es daran, dass die jüngste Bombenserie mit seiner Politik in Verbindung gebracht werden kann. Zum einen demontieren die Bomben das selbstherrliche Bild, das sich Maliki als Held des Friedens zimmert, zum anderen weisen sie auf einen wesentlichen blinden Fleck seiner Regierung hin: den Umgang mit den Sunniten. Die meisten Opfer der Anschlagserie waren Schiiten. Der schlimmste Bombenanschlag, am Mittwoch, forderte 76 Tote in Sadr City.

Es ist ganz bestimmt kein unerwünschter Zufall, dass die Anschläge Angst und Nervosität vor einem Wiederaufflammen der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen den religiösen Gruppierungen im Irak auslösen. Dass Maliki es versäumt hat, die Awakening-Sunniten, denen man zuschreibt, dass sie für die Ruhe im Irak viel beigesteuert haben, in das neue politische System einzubauen, spielt sicher auch eine Rolle bei den Anschlägen. Sie führen vor Augen, wie schnell das Land wieder ins Chaos zurückgebomnt werden könnte - auch und gerade unter Maliki.

Mit Absicht im Dunklen gelassen wird die Rolle, die das 130.000 Soldaten starke Kontingent der Amerikaner künftig spielen wird. Es ist bezeichnend, dass das US-Militär viele seiner Stellungen nächtens abgebaut hat, wie die New York Times gestern berichtete. Laut Order des Generals Ray Odierno sollten die Konvois nachts fahren, "wenn weniger Iraker mitbekommen, dass der Abzug der Amerikaner nicht vollständig ist". So sehen die Iraker nach dem Stichtag 30.Juni noch weniger amerikanische Patrouillen, die ohnehin in den letzten Monaten schon weniger geworden sind, und sie sehen, dass der weitaus größte Teil der amerikanischen Outposts - mehr als 150, was 85 % entsprechen soll - abgebaut wurden, aber es ist, wie der Zeitungsbericht ebenfalls deutlich macht, gewollte Politik, im Vagen zu lassen, was die erste Phase des amerikanischen Rückzugs faktisch heißt.

Ein kompletter Rückzug ist erst bis Ende 2011 vorgesehen, bis dahin bleibt der größte Teil der Soldaten im Land, wieviele davon genau in den Städten bleiben, will man nicht verraten, nur dass sie nicht mehr kämpfen und patrouillieren sollen, sondern ausbilden; der Hubschrauber-Einsatz unterliegt auch weiterhin keinen Beschränkungen - man will sich zurückhalten, aber die Schlagkraft behalten und abwarten, wie sich die Situation entwickelt.

Währenddessen feiert Regierungschef Maliki den großen Sieg, den der Rückzug der US-Soldaten aus den irakischen Städten bedeuten soll, und verkündet, dass die Iraker dort, wo es in einem Krieg gegen Aufständische ankomme, die größeren Kompetenzen habe: "im Spiel der geheimdienstlichen Erkenntnisse".