Iran: Nach einer friedlichen Demonstration von einer Million Menschen erste Tote

Mussawi will weiter kämpfen und ruft für morgen zu einem nationalen Streik auf.

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Trotz Verbot und dem schon zuvor deutlich gewordenen Vorgehen der Sicherheitskräfte und Milizen kamen heute nach Teheran Hunderttausende, man schätzt eine Million oder mehr, um gegen den angeblichen Wahlbetrug zu protestieren. Neben dem früheren Präsidenten Mohammad Khatami war auch der gemäßigte Präsidentschaftskandidat Mir Hussein Mussawi, auf den viele gesetzt hatten, um das Land wieder liberaler zu machen, gekommen. Auch wenn der oberste Führer der islamischen Republik Ayatollah Khamenei unter dem Druck der Straße und des Auslands angekündigt, die Wahlergebnisse überprüfen zu lassen, trauen die Menschen dem Mullah-System nicht. Es kursieren Gerüchte, dass das Innenministerium die wirklichen Wahlergebnisse unterdrückt habe, nach denen Ahmadenidschad haushoch verloren hätte.

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Die riesige Demonstration der Mussawi- Anhänger wälzte sich durch Teheran (Bild: Bild: http://www.flickr.com/photos/mousavi1388/3629081537/)

Zunächst verlief die Demonstration in einem kilometerlangen Zug für Stunden friedlich. Nicht alle Teilnehmer stehen unbedingt hinter Mussawi, aber sie wollen korrekte demokratische Wahlen und sicher auch, dass der Iran aus seiner Paria-Rolle herauskommt, die Unterdrückung endet und nicht zuletzt, dass die Armut und die weit verbreitete Arbeitslosigkeit zurückgehen, was Ahmadenidschad bei der letzten Wahl zwar versprochen, aber nicht erreicht hat. Die Demonstranten auf den Straßen wurden von Menschen unterstützt, die von den Dächern "Tod dem Diktator" riefen.

Dann kam es nach dem Ende der Demonstration am Abend zur ersten Schießerei vor einem Gebäude einer Miliz, bei der ein Mensch getötet und mehrere verletzt wurden. Vermutlich wurde das Haus von Protestierern angegriffen ( Foto), nachdem die Miliz an der Verfolgung Mussawi-Anhängern beteiligt war und mit Motorrädern und Schlagstöcken diese gejagt hatte.

Es kursieren Fotos, die die Verletzten und den Toten zeigen, aber auch Bewaffnete auf Motorrädern, die Waffen ziehen. Offenbar wurde auch bereits zuvor vereinzelt geschossen. Der britische Reporter Robert Fisk, der sich in Teheran aufhält, berichtete dem Sender al-Dschasira, dass er Schüsse gehört und Menschen davon rennen gesehen habe. Nach getwitterten Berichten kam es zu weiteren Schießereien und werden weiter Menschen gejagt und festgenommen. Gemeldet werden ununterbrochene Schusssalven, die Menschen seien in Panik. Der Geheimdienst würde Menschen anrufen und mit einer aufgenommenen Botschaft warnen: "Du hast an den Protesten teilgenommen. Mach es nicht wieder."

Mussawi hat für morgen zu einem nationalen Streik aufgerufen, aber weiterhin friedliche Proteste angemahnt. Allerdings spitzt sich die Lage zu, da es vermutlich weitere Tote gegeben hat. So sollen 6 Studenten, die von der Polizei gestern in ihren Schlafräumen geschlagen wurden, an ihren Verletzungen gestorben sein. Aus Protest ist der Direktor der Universität von Teheran zurückgetreten.

Bestätigt werden die Informationen teilweise vom iranischen Fernsehsender Press TV, den die iranische Regierung eingerichtet hat, um CNN, BBC, al-Dschasira und Co. etwas entgegen zu setzen. Nach einem Bericht des Reporters hätten Unbekannte beim Auflösen der Demonstration in die Menge geschossen. Betont wird, dass die Demonstration bis dahin friedlich verlaufen sei.

Die Hacker werden aufgerufen, die staatlichen Websites zu hacken. Die Webseite von Khameini war vorübergehend gehackt, nun sind zahlreiche Webseiten wie die einiger staatlichen Nachrichtenagenturen (Irna oder Farsnews) oder die des Präsidenten nicht mehr erreichbar und angeblich gehackt. Der Grund könnte allerdings auch in der Überlastung liegen. Berichte aus Teheran sagen, dass das Internet immer mal wieder ausfällt oder nur sehr langsam ist, ebenso die Handynetze.